ANALYSE. Schwarz-Rot: Eine nach links gerückte SPÖ muss mit einer nach rechts gerückten ÖVP zusammenfinden, um überhaupt mitregieren zu können. Wie soll das gehen?
Der Titel der Studie lässt nicht darauf schließen, dass es darin auch um die Sozialdemokratie geht. Er lautet: „Die strategische Antwort des rechten Mainstreams auf die rechtspopulistische Herausforderung. Das Beispiel der Österreichischen Volkspartei (ÖVP).“ Die Politikwissenschaftler Martin Dolezal, Reinhard Heinisch und Diana Lucia Hofmann haben sie jedoch unter anderem im Auftrag des „Karl-Renner-Instituts“ erstellt, das zur SPÖ gehört. Und überhaupt: Frei nach Anton Pelinka hat die ÖVP auf Bundesebene eine Scharnierfunktion. Zumal die SPÖ hier eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, ist eine Koalition nur mit ihr (der ÖVP) möglich. Sprich: Ihr Verhalten hat Konsequenzen für alle anderen Parteien.
Umso verhängnisvoller ist für die SPÖ, dass sie in den vergangenen Jahren nach rechts gerückt ist. Die Aussicht auf Schwarz-Rot sowie das Scheitern der blau-schwarzen Verhandlungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen.
Die SPÖ habe sich, wie es in der Studie heißt, bei soziokulturellen Fragen, beispielsweise bei den Themen nationale Identität, Einwanderung und Islam, (bereits) in verschiedene Richtungen treiben lassen: Es seien Gräben entstanden: „Insbesondere zwischen einem großstädtischen Milieu, wo die SPÖ weiterhin jene Wähler:innen aus der Mittelschicht anzieht, denen die ÖVP zu konservativ und traditionalistisch ist, und klassischen, sozialdemokratischen Wähler:innen aus der industriellen Arbeiterschicht und einem kleinstädtischen Umfeld.“
„Die Machtkämpfe zwischen Pamela Rendi-Wagner, der urbanen und linksliberalen SPÖ-Vorsitzenden von 2018 bis Juni 2023, und Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann des Burgenlandes (und Landesparteivorsitzender), sind die augenscheinlichste Folge dieser Kluft. Rendi-Wagner und Doskozil stritten sich oft und vor allem öffentlich über den Kurs der Partei zu Themen wie Einwanderung, Sicherheit und COVID-Maßnahmen sowie über eine mögliche Kooperation mit der FPÖ.“
Je mehr sich die ÖVP unter Sebastian Kurz nach rechts bewegt habe, desto lauter seien in der SPÖ zudem Stimmen geworden, die eine Neupositionierung nach links gefordert hätten. Das sei eine Erklärung dafür, dass Andreas Babler 2023 Vorsitzender geworden sei. Problem: Nicht weniger als Rendi-Wagner hat er Doskozil gegen sich.
Die Erfolgsaussichten der SPÖ mit Babler-Ausichtung im Hinblick auf Urnengänge beurteilten die Politikwissenschaftler in der Studie, die sie vor der Nationalratswahl Ende September erstellten, kritisch: Als neuer SPÖ-Vorsitzender könnte Babler „vielleicht“ Herausforderungen von der linken Seite verhindern. „Für konservative Wähler:innen ist die Partei durch ihn aber kaum attraktiver geworden.“
Wobei man sich fragen kann, ob er das muss, wetteifern mit FPÖ und ÖVP doch ohnehin schon zwei um diese Wähler. Der Punkt ist, dass jetzt eine Zusammenarbeit mit der – ihrerseits nach rechts gerückten – Volkspartei schwierig werden könnte: Wie kann man hier einen tragfähigen, gemeinsamen Kurs finden und halten?
„Wenn sich die ÖVP mehr auf ihre Wirtschaftskompetenz und weniger auf die Themen Einwanderung und Identität konzentrieren würde, könnte eine Koalition aus SPÖ und ÖVP die Sozial- und Wirtschaftspolitik in den Vordergrund stellen“, meinen die Autoren. Bloß: Ob sich die Volkspartei darauf einlässt? Immerhin müsste sie die Themen Einwanderung und Identität Freiheitlichen überlassen und sich selbst neu ausrichten. Abgesehen davon ist der erste Anlauf zu einer Zusammenarbeit, an dem bis Anfang Jänner auch die Neos beteiligt waren, gerade an sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen gescheitert.