Sozialdemokratische Klimakrise

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ANALYSE. Nach der Flüchtlings- hat die SPÖ auch die Klimakrise verschlafen. Dabei wäre dort sehr viel zu holen für sie. Theoretisch.

Politik ist Wiederholung: 2017 ist die SPÖ bei der Nationalratswahl nicht zuletzt auch deswegen auf Platz zwei zurückgefallen, weil sie keine Antwort auf die Flüchtlingskrise hatte. Umso mehr konnten ÖVP und FPÖ auf ihrer Art und Weise abräumen. Hinterher versuchten Sozialdemokraten, ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen: Schwarz-Blau hole 150.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land, wetterte der damalige Bundesgeschäftsführer der Partei, Max Lercher, aufgrund einer Ausweitung der sogenannten Mangelberufsliste.

2019 läuft das Ganze im Zusammenhang mit der Klimakrise wieder so ab: Die SPÖ hat bei der Nationalratswahl vor allem auch so viele Wähler an die Grünen zurückverloren, weil diese eher glaubwürdige Antworten auf die Klimakrise hatten. Reaktion von Pamela Rendi-Wagner und Genossen: Sie versuchen nun parallel zu den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen die Grünen mit „Klimaschutz“-Anträgen herauszufordern – auf dass die Message übrig bleibe, die Grünen würden zugunsten einer Regierungsbeteiligung all ihre Grundsätze über Bord werfen.

Wenn das nur so einfach gehen würde: Natürlich tun sich die Grünen an der Seite der ÖVP schwer, so grün zu bleiben wie sie es bisher gewesen sind; und sei es nur für die Dauer der Koalitionsverhandlungen.

Aber die herausfordernde SPÖ hat halt selbst zu große Defizite: Ihre Kompetenz in Klimaschutzfragen könnte man mit einem Verweis abhandeln; nämlich mit dem auf die Aussage von Rendi-Wagner, dass das Schnitzel kein Luxusgut werden dürfe. Das heißt im Umkehrschluss, dass Fleisch billig bleiben muss. Und das geht halt nur bei internationaler, auch klimafeindlicher Massentierhaltung. Oder etwa nicht? Mehr dazu später.

Die SPÖ hat den Klimawandel erst entdeckt. Sie fordert einen Konvent und einen Fonds dazu. Ja, sie spricht sich für entschlossenes Handeln aus, will – wie die ÖVP – aber niemandem wehtun. In diesem Sinne beschränkt sie sich auf die Forderung, öffentlichen Verkehr auszubauen, günstige Tickets auszugeben und eine CO2-Steuer ausschließlich gesamteuropäisch einzuführen. Letzteres kann man damit vergessen. Ungarn, Polen und viele andere werden nicht mitmachen. Also wird eine CO2-Steuer in absehbarer Zeit nicht kommen. Womit der Effekt übrig bleibt, dass auch Sprit kein Luxusgut wird.

Was in sozialdemokratischen Kreisen zunehmend sickert, aber noch nicht angekommen, geschweige denn programmatisch umgesetzt ist, ist dies: Klimapolitik ist auch Sozialpolitik. Ein Passivhaus ist nicht in Billigbauweise zu haben. Ein Elektroauto mit ordentlicher Reichweite ist nicht günstig. Ja, auch biologische Lebensmittel wie eben Fleisch bzw. ein „Schnitzel“ aus entsprechender Haltung gibt’s nicht zum Schleuderpreis. Das ist ein Problem.

Es wäre eine Gelegenheit für die SPÖ, Klima- und Sozialpolitik zusammenzuführen und sich damit auseinanderzusetzen, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Auch wenn keine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene dafür in Sicht ist. Aber das führt jetzt zu einem ganz anderen, noch viel größerem Dilemma der Partei.

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