Sobotkas Kulturdefizit

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ANAYSE. Für den Nationalratspräsidenten sind Praktiken normal, die politisch untragbar sind. Das fällt ihm jetzt auf den Kopf.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) müsste sich nicht darüber empören, von Thomas Schmid „angeschwärzt“ zu werden, wie er es formuliert. Der Vollständigkeit halber: Schmid behauptet, Sobotka habe wegen Steuerprüfungen bei der „Alois-Mock-Stiftung oder beim Alois-Mock-Institut“ sowie bei der „Erwin-Pröll-Stiftung“ erfolgreich interveniert. „Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück“, erwidert Sobotka.

Zynisch gefragt: Was soll an einer Intervention schon verwerflich sein? Wie ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der durch Schmid im Zusammenhang mit einer Postenbesetzung in einem oberösterreichischen Finanzamt ebenfalls belastet wird, hat Sobotka bisher einer Definition das Wort geredet, die positiv ist, ja nach Pflichterfüllung klingt: „Intervention heißt sich einschalten, nicht mehr“, diktierte er dem „Standard“ jüngst in einem Interview zu Personalfragen im Innenministerium. Hier sei es für ihn darum gegangen, dass jemand, der aus seiner Gesinnungshaltung kommt, keinen Nachteil daraus erfährt. Treppenwitz: Seit Beginn dieses Jahrtausends steht das Innenministerium mit einer kleinen Unterbrechung unter schwarz-türkiser Kontrolle. Und Sobokta will nun sagen, dass Schwarz-Türkise hier besonderer Fürsprache bedürfen.

Es ist eher so, dass dem Nationalratspräsidenten ein kulturelles Problem zum Verhängnis wird, das er hat: Er ist es auf Niederösterreichisch gewohnt, zu machen, was ihm gefällt. Das Gefühl für politisch Unzulässiges ist unterentwickelt. Eine Intervention ist demnach nichts Schlechtes und für ein Inserat gibt’s ein Gegengeschäft, also einen Deal. „Sie kennen das Geschäft ja“, so Sobotka in einem legendären Interview mit Wolfgang Fellner.

Sobotka kommt auch nicht auf die Idee, zu sehen, dass ein Wunsch, den er äußert, zu vielen ein Befehl sein kann, den sie erfüllen müssen. Schlicht aufgrund des jeweiligen Amtes, das er im Laufe seiner bisherigen Karriere bekleidet(e) und der Machtfülle, die damit einhergeht bzw. einher gegangen ist. Dass er allein schon daher maximale Zurückhaltung walten lassen müsste.

Sobotka war Landeshauptmann-Stellvertreter in Niederösterreich, als er ebendort das „Alois Mock Institut“ gründete und zunächst auch führte. Dieses Institut ließ sich durch den Glücksspielkonzern „Novomatic“ unterstützen sowie – in Form von Inseraten – durch Landesgesellschaften. Wie soll zum Beispiel eine solche Gesellschaft reagieren, wenn der Verein des stellvertretenden Landeshauptmannes um eine Werbeschaltung bittet? Im Biotop Niederösterreich ist es (genauso wie in anderen Bundesländern) nicht selbstverständlich, dass sie „nein“ sagt. Warum soll sie einen Genierer haben, wenn der Mann an der Spitze keinen hat?

Bei „Machtkultur“ legt Wolfgang Sobotka den Schwerpunkt auf den ersten Teil des Begriffs. Daher ist es für ihn auch selbstverständlich, als einer der maßgeblichen Sebastian-Kurz-Prätorianer ab 2016 den Vorsitz im türkisen Korruptions-U-Ausschuss des Nationalrats zu führen. Hier geht es um Kurz, aber auch um die Existenz und den Fortbestand der ÖVP nach diesem. Daher kommt es für die Partei auf alle Möglichkeiten an, Aufklärung zu erschweren oder zu verhindern. Für den Nationalratspräsidenten ist es das Natürlichste der Welt, an dieser parteipolitischen Aufgabe mitzuwirken.

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