Sich selbst und andere kaputtgemacht

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ANALYSE. Bei einer Wahl heute würde die ÖVP-Hochburg Tirol in Trümmern liegen. NÖ wäre schwer beschädigt, die SPÖ hätte nicht viel davon. Die politische Landschaft könnte schon bald nicht mehr wieder zu erkennen sein. „Niemand“ kommt bei einer Kanzlerwahl schon der Absoluten nahe.

Was der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gemacht hat, war wohl eher parteischädigend: Vor dem Sommer kündigte er seinen Rücktritt an, um Anton Mattle als Nachfolger in eine vorgezogene Landtagswahl am 25. September zu schicken. Ergebnis: Der Mann, mit dem viele Menschen nichts verbinden, hat keine Zeit sich zu profilieren. Versuche, wie die Ansage, nichts für Energieversorger „im Osten“ zu bezahlen, wirken nur noch verzweifelt.

„Anton Mattle ist noch kein Zugpferd“, sagt Andrea Fronaschütz vom Meinungsforschungsinstitut Gallup vorsichtig: „Er soll die Partei anschieben, benötigt allerdings selbst noch Anschub.“ Gallup hat für die Tiroler Tageszeitung gerade eine Umfrage durchgeführt zum Urnengang am 25. September. Aktuell müsste die ÖVP demnach mit einem Absturz von 44,3 auf 26 Prozent rechnen. Bisher schienen eher so um die 30 Prozent möglich zu sein, als kritische Marke für Mattle gelten 33 Prozent.

Im Vergleich zur Landtagswahl deutlich verbessern könnten sich FPÖ, die Liste Fritz und die Neos. Ein bisschen könnten die Sozialdemokraten zulegen, so gut wie nicht die Grünen. Als Juniorpartner in der noch von Platter geführten Regierung leiden sie womöglich ebenso wie von einem Bundestrend. An der Seite der ÖVP und in den Krisen finden sie zu wenig Möglichkeiten, Erwartungen ihrer Wählerinnen und Wähler gerecht zu werden und neue Gruppen anzusprechen.

Der Volkspartei droht nun ein doppelter Fallbeileffet: Umfragen wie diese lassen sie alles andere als attraktiv erscheinen. Im Gegenteil, kaum jemand mag verlieren oder (wenn auch nur als Wähler) zu einem Verlierer gehören. Verluste könnten sich so verstärken. Und dann wird bald auch in Niederösterreich, Salzburg und Kärnten gewählt. In Niederösterreich, einer noch größeren ÖVP-Hochburg, als Tirol erwarten die Partei derzeit ebenfalls schwere Verluste.

Wenn’s schlecht läuft, ist traditionell (eher) der Bundesparteiobmann schuld daran. Karl Nehammer versucht seit geraumer Zeit, gegenzusteuern: Nach Generalsekretärin Laura Sachselehner übernahm Innenminister Gerhard Karner den Job, eine Flüchtlingspolitik wie einst Sebastian Kurz zu betreiben. Das hat noch immer geholfen. Allein: Karner ist nicht Kurz. Abgesehen davon gibt es viele andere Probleme, die den Menschen zu schaffen machen.

„Wien Energie“ bzw. das, was die ÖVP daraus macht, ist ebenfalls kaum dazu angetan, ihr zu nützen. Es trägt womöglich nur dazu dabei, dass der Höhenflug der Sozialdemokratie beendet ist. Schlimmer: Schwarz-Türkise können sich allenfalls einreden, dass es auch denen schlecht geht, die sie gerne als „Sozis“ bezeichnen.

Weit weniger als die SPÖ profitierte in den vergangenen Monaten die FPÖ von Herbert Kickl vom Niedergang der ÖVP. Das kann sich ändern. Aber: Auffallend ist, dass es eine wachsende Lücke im politischen Angebot gibt. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts „Unique Research“ für das Nachrichtenmagazin „profil“ zur Bundespräsidenten-Wahl haben sich unlängst nur 58 Prozent festgelegt. In den nächsten Wochen werden es mehr werden, mit einem großen Wahlkampf, der bei der Entscheidung hilft, ist aber nicht zu rechnen: Amtsinhaber Alexander Van der Bellen hält sich zurück und im Übrigen haben viele Menschen (daneben) drängendere Sorgen; zum Beispiel finanzielle.

Bei einer Kanzlerdirektwahl lag SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wager laut derselben Erhebung vorne. Mit sechzehn Prozent. Karl Nehammer schaffte fünfzehn, Kickl zwölf, Beate Meinl-Reisinger sieben, Werner Kogler sechs Prozent. Bei einem solchen Niveau gibt es keine Siegerin, keinen Sieger. Ganze 44 Prozent bleiben übrig. Vor dem Sommer waren es 40 Prozent. Tendenz also steigend. „Niemand“ würde eine solche Wahl haushoch gewinnen. „Niemand“ steht hier für eine Lücke bzw. eine Einladung an noch nicht vorhandene Kräfte, sie in den kommenden Monaten und Jahren zu besetzen. Da ist alles möglich – auch Platz eins.

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