ANALYSE. Das SPÖ-interne Ringen um das Finanzministerium lässt Schlimmes befürchten für eine schwarz-rot-pinke Koalition.
Das muss man der ÖVP lassen: Sie schafft es immer wieder, über ihre Lage hinwegzutäuschen. Allein wie sie nach zwei gescheiterten Versuchen bei Regierungsverhandlungen antritt, es mit SPÖ und Neos zu versuchen; ganz selbstverständlich mit dem Ziel, dass sie den Kanzler stellen wird.
Natürlich, die Volkspartei kann auch anders: Karl Nehammer hat das zu spüren bekommen. Wirtschaftsvertreter hatten bald nach der Wahl Stimmung für Blau-Schwarz gemacht. Dem musste er letzten Endes weichen.
Aber jetzt ist von diesen Wirtschaftsvertretern nichts zu hören, wirkt die ÖVP mit ihrem geschäftsführenden Obmann Christian Stocker geschlossen, als wären sich alle einig. Nicht einmal die Tatsache, dass die Glücklos-Farblosen Norbert Totschnig, Gerhard Karner und Klaudia Tanner Landwirtschaftsminister, Innenminister und Verteidigungsministerin bleiben sollen, scheint irgendjemanden zu stören.
Vielleicht ist dieses B-Team nach ÖVP-interner Logik jedoch allemal gut genug. Es steht für Klientelpolitik, und in St. Pölten ist Johanna Mikl-Leitner froh, wenn Tanner weiterhin in Wien gebunden ist; da kann sie ihr nicht lästig werden auf ihrem Spielfeld.
Ungleich unrunder laufen die Vorbereitungen auf die künftige Regierung bei den Neos. Was bis zu einem gewissen Grad logisch ist: Gerade für eine Kleinpartei, die Wert auf Inhalte legt, ist es ein riesiger Schritt, sich auf eine Koalition mit Größeren einzulassen. Da muss man Dinge schlucken, die man nur schlucken kann, wenn man ein Pragmatiker der Macht ist. Dann kann man auch als wirtschaftsliberale Kraft, die ein paar andere Dinge durchsetzen konnte, zum Beispiel ein Einfrieren von Mietpreisen hinnehmen.
Nicht einfach ist es für eine Kleinpartei außerdem, Regierungsmitglieder zu finden. Mühsam wird es freilich, wenn man es mit einem Ex-Obmann (Matthias Strolz) zu tun hat, der sich gezielt medienöffentlich aufdrängt. Aber das ist jetzt erledigt. Strolz hat sich wieder aus dem Spiel genommen.
Bleibt die SPÖ: Die Vorstellung, dass sich die Verhältnisse dort in den vergangenen Tagen und Wochen geordnet haben, hat sich zerschlagen. Andreas Babler hat sich nicht mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig arrangiert. Und auch nicht mit Ländervertretern, die hadern mit ihm. Beziehungsweise: Ludwig hat geglaubt, Babler unter Kontrolle gebracht zu haben. Das war jedoch ein Irrtum.
Im Unterschied zum ersten Versuch mit ÖVP und Neos, der Anfang Jänner gescheitert ist, hat Ludwig diesmal seine Vertraute Doris Bures groß gepusht als entscheidende Akteurin auf sozialdemokratischer Seite. Sie sollte alles richten. Geschafft hat sie es nicht.
Es ist unwürdig, was läuft: Ludwig will, dass Peter Hanke Finanzminister wird. Das lehnt Babler ab. Er würde etwa die Abgeordnete Michaela Schmidt gerne durchsetzen für dieses Amt. Hanke könnte seines Erachtens Infrastrukturminister werden. Nebeneffekt: Damit würde ihm Sven Hergovich als solcher erspart bleiben. Der langjährige Bures-Mitarbeiter ist eher Doskozil- als sein Mann.
Eine Katastrophe: Allein dieses Ringen macht deutlich, dass eine schlichte ÖVP-SPÖ-Koalition mit einem einzigen Mandat Überhang wohl eher nur ein paar Monate halten würde; dass sie bald einmal bei einer Abstimmung im Nationalrat in der Minderheit wäre, weil irgendein Flügel ausschert.
Das Problem ist, dass in der Sozialdemokratie eine integrative, eine einflussreiche Kraft fehlt, die die Partei zusammenhält und führt: Babler hat viele gegen sich und beschränktes Gewicht, weil er keine Wahlerfolge bringt. Ludwig ist zwar mächtig, aber nicht Bundesparteivorsitzender, und Babler tut nicht, was er will.
Das ist kein Zustand und letzten Endes natürlich auch für eine Drei-Parteien-Koalition unmöglich: Es ist schwierig genug, dass sich ÖVP, SPÖ und Neos bei den großen Fragen der Zeit zusammenraufen. Da kann mit der Sozialdemokratie nicht ein Teil von ihr auch noch von vornherein derart in sich zerstritten sein.