ANALYSE. Die designierte SPÖ-Vorsitzende hat für ihre ersten Botschaften eine wirkungsvolle Sprache gewählt, aber keine großen Erwartungen geschürt. Zumindest an sich selbst kann sie damit schon einmal etwas weniger scheitern.
Die erste Umfrage, die die Tageszeitung „Heute“ vergangene Woche geliefert hat, ist mit Vorsicht zu genießen (z.B. nur 500 Befragte online) und dennoch bemerkenswert: Die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist demnach mit 37 Prozent zuletzt ähnlich vielen Menschen positiv aufgefallen wie Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz (38 Prozent). Wobei schwer zu sagen ist, worauf sich das Urteil stützt; bis zum Erhebungszeitraum Ende September hatte sie öffentlich nicht viel mehr gesagt, als dass sie die neue Aufgabe ehre. Also muss man mit Interpretationen doppelt vorsichtig sein: Handelt es sich um allgemeine, verhältnismäßig gute Sympathiewerte, die dahinter stehen? Ist es eine Sehnsucht nach einer Alternative, die bei einem Teil der Wähler vorhanden ist und die Rendi-Wagner ganz einfach aufgrund ihres bisherigen Wirkens erfüllt?
Bis zur nächsten Wahl sind es noch bis zu 1469 Tage und da wird noch sehr viel passieren.
Jedenfalls handelt es sich um ein Phänomen. Morgen kann es schon wieder Geschichte sein. Oder übermorgen. Oder … Die nächste Nationalratswahl findet spätestens am 9. Oktober 2022 statt. Bis dahin sind es noch 1469 Tage und da wird noch sehr viel passieren. Das ist das eine.
Das andere: Rendi-Wagner hat bei ihren ersten ausführlicheren Aussagen als designierte SPÖ-Chefin, die sie nun am Wochenende getätigt hat, zumindest einen Fehler unterlassen, den ihr Vorgänger Christian Kern zum Antritt gemacht hat. Sie hat keine Abrechnung geliefert und damit extrem große Erwartungen geschürt; zumindest an sich selbst kann sie unter diesen Umständen schon einmal etwas weniger scheitern.
Wir erinnern uns: In seiner ersten Pressekonferenz als Neo-Politiker hat Kern im Mai 2016 eine schonungslose Abrechnung mit der bisherigen Politik durchgeführt. Von wegen „Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“. Oder diese Beratungen in den Gremien nach jeder weiteren Niederlage. Ändere sich all das nicht, dauere es nicht mehr lange bis zum endgültigen Aufprall … Das war der Anfang vom Ende seiner innenpolitischen Karriere: Weil er den neuen Stil nicht gleich in die Tat umsetzen konnte; weil er nicht unverzüglich in Neuwahlen gezogen und mit einem Triumph aus ebensolchen hervorgegangen ist. Und weil er deswegen destruktiven Kräften auf Seiten des Koalitionspartners ebenso zu viele Gelegenheiten einräumte, ihn zu zermürben, wie Funktionären aus den eigenen Reihen, die mit dem bisherigen System sehr gut gefahren sind und die daher allen Grund zur Sorge hatten.
Wie man mit einem solchen Antritt erfolgreich sein kann, hat Sebastian Kurz im Frühjahr 2017 gezeigt.
Wie man mit einem solchen Antritt erfolgreich sein kann, hat Sebastian Kurz im Frühjahr 2017 in der ÖVP gezeigt: Nicht nur Kommen und Reden, sondern auch Wählen und Gewinnen. Also keine Zeit verlieren. Rendi-Wagner kann nun naturgemäß nicht nach diesem Muster vorgehen. Sie kann keine Koalition aufkündigen, um dann, ausgestattet mit großen Erwartungen, gestärkt aus einem Urnengang hervorzugehen und umzusetzen. Ihr Schicksal lautet vier Jahre Opposition. Da ist sie gut beraten, den Ball zunächst flach zu halten.
Was sie letzten Endes will, hat sie wohl auch vor diesem Hintergrund bisher nicht über die Rampe gebracht. Natürlich, Kanzlerin werden. Das ist Pflichtprogramm. Eher hat sie unzählige Male diese Botschaft transportiert: Sie ist ein Kind der 70er Jahre, das von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen worden ist, das in einem Simmeringer Gemeindebau aufgewachsen ist und das sich dann mit Fleiß und dank eines entsprechenden Bildungssystems nach oben arbeiten konnte. Da ist unter anderem dies enthalten: Bruno Kreisky, rotes Wien, schwierige Verhältnisse, Leistung, starke Frau, Aufstieg. Oder vielleicht moderne Sozialdemokratin.
Bleibt Ludwig so durchschaubar destruktiv, könnten ihr das am Ende gar noch nützen.
Das reicht natürlich noch lange nicht zum nachhaltigen Erfolg. Zumal in den eigenen Reihen auch für Rendi-Wagner nicht nur Freunde, sondern auch Feinde lauern. Andererseits: Bleibt z.B der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Umgang mit ihr so durchschaubar destruktiv, könnten ihr selbst diese „Parteifreunde“ am Ende gar noch nützen; sie verdeutlichen potenziellen SPÖ-Wählern unter Umständen eher, dass die Partei eine Vorsitzende wie Rendi-Wagner bitter nötig hat.
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