ANALYSE. Die SPÖ-Vorsitzende geht im Streit mit Doskozil aufs Ganze – wissend, dass sich abgesehen von diesem ohnehin keiner traut, sie zu stürzen und die Partei zu führen.
Die Auseinandersetzung zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bleibt steigerbar. Zuletzt warf sie ihm vor, „unehrlich“ zu sein, woraufhin er von einer „Beflegelung“ sprach. Fortsetzung nicht ausgeschlossen, sondern eher sogar wahrscheinlich.
Rendi-Wagner will es wissen. Vor drei Jahren hat sie sich bereiterklärt, die Partei in einem katastrophalen Zustand zu übernehmen. Wobei man heute annehmen kann, dass sich niemand etwas erwartet hat; die meisten Genossen waren eher froh, dass sich mit ihr jemand gefunden hat für diesen Job.
Mehr und mehr bekommt sie das zu spüren. Es gibt kaum offen vorgetragene Kritik an ihr, aber auch keine großen Sympathiebekundungen. Auf dem Parteitag hat man sie in ein Debakel laufen und dann auch allein gelassen damit.
Insofern ist es nachvollziehbar, dass sie nun in der Auseinandersetzung mit Doskozil keinen Genierer zeigt. Sie hat nichts mehr zu verlieren. Sie kann die Sache vielmehr ausreizen: Angeblich gibt es Genossinnen und Genossen, die zumindest den in Flucht- und Migrationsfragen rechtspopulistischen Kurs von Hans Peter Doskozil ablehnen. Viel zu hören ist nicht von ihnen. Von Rendi-Wagner werden sie nun herausgefordert.
Ja, sie geht sogar noch weiter. Motto: „Ich habe eine erbärmlich aufgestellte Partei übernommen und bekomme so gut wie keine Unterstützung. Jetzt gehe ich aufs Ganze: Steht zu mir oder stürzt mich.“ Sie kann davon ausgehen, dass sich keiner traut, letzteres zu tun; dass gerade jetzt, Mitten in der Legislaturperiode und bei unerreichbaren, stabilisierten ÖVP-Umfragewerten, keiner der vermeintlich starken Männer mag.
Das leitet über zu einem schlimmen Befund für die gesamte Sozialdemokratie: Ihre Perspektiven sind denkbar schlecht. Doskozil will im Burgenland bleiben bzw. – wie man annehmen kann – gebeten werden, nach Wien zu kommen. Sein Kurs aber ist auf Bundesebene wenig erfolgversprechend, weil ÖVP und FPÖ das gesamte Spektrum rechts der Mitte ohnehin schon maximal ausfüllen. Da ist kein Platz mehr übrig.
Auf der anderen Seite gibt es die Wiener SPÖ, die sich in Person von Bürgermeister Michael Ludwig jedoch zurückhält und deren Kurs nicht unter-, aber auch nicht überschätzt werden sollte: Ludwig hat es in den vergangenen Jahren verstanden, zumindest der FPÖ von Heinz-Christian Strache Wind aus den Segeln zu nehmen; letztlich aber hat sich dieser selbst erledigt. Bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Herbst gab es für die SPÖ wiederum ein Plus von zwei Prozentpunkten, das sich in Anbetracht eines FPÖ-Verlusts von 24 Prozentpunkten (!) jedoch sehr relativiert.
Die Lage wäre hoffnungslos für die Sozialdemokratie, wenn das gegenwärtige Vorgehen von Rendi-Wagner nicht auch eine Chance für sie werden könnte: Hier werden ziemlich viele Genossen provoziert, aufzustehen und vielleicht doch noch etwas Neues entstehen zu lassen.
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