ANALYSE. Gerade bei der Nationalbank sieht man, wie problematisch parteipolitischer Einfluss sein kann. Inhaltliche Auseinandersetzungen mit wesentlichen Fragen werden unterbunden.
Das Nachrichtenmagazin „profil“ schreibt in seiner Morgenpost, einem Newsletter, von „Parteibuchwirtschaft“: Zumal sie nicht wissen, ob sie nach der Nationalratswahl noch etwas zu melden haben, wollen ÖVP und Grüne die Entscheidung über die Nachfolge führender Nationalbankmitarbeiter vorziehen. Gouverneur Robert Holzmann, der einst auf Wunsch der FPÖ zu diesem Job gekommen ist, und andere, die es mit türkiser Hilfe geschafft haben, werden erst im kommenden Jahr ausscheiden. An die Stelle von Holzmann treten wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Wunsch der Türkisen Wirtschaftsminister Martin Kocher. Das soll „sicherheitshalber“ schon jetzt fixiert werden.
Transparenz? Ein öffentliches Hearing? Fehlanzeige. Man checkt das vertraulich. Beziehungsweise zunächst sozialpartnerschaftlich: Der Präsident des Generalsrats der Nationalbank, Harald Mahrer, seines Zeichens ÖVP-Funktionär und Chef der Wirtschaftskammer, sowie seine Stellvertreterin Ingrid Reischl, ihres Zeichens sozialdemokratische Gewerkschafterin, bereiten die Entscheidung vor. Neben Kocher könnte auch ein Grüner zum Zug kommen: Josef Meichenitsch, der für die Partei einst an den Koalitionsverhandlungen mitgewirkt hatte, könnte ins Direktorium einziehen.
Kocher hat eine Ahnung von Wirtschaft und Finanzen, vor seiner Zeit in der Politik führte der Ökonom unter anderem das „Institut für Höhere Studien“ (IHS). Meichenitsch ist ebenfalls kompetent, er war früher in der Finanzmarktaufsicht tätig und arbeitet schon seit ein paar Jahren in der Nationalbank.
Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass hier Parteien über Personen hemmungslos Einfluss auf eine Institution nehmen, die maximal unabhängig von der Politik sein sollte. Dass hier nicht einmal ein Mindestmaß an Abstand gewahrt wird. Beim ORF zum Beispiel mischt man zwar ebenfalls mit, aber ein amtierender Minister auf einem Parteiticket als Kandidat für die Führungsetage? Aus prinzipiellen Gründen wäre das in diesem Fall undenkbar.
Bei der Nationalbank, bei der es ebenfalls auf Vertrauenswürdigkeit ankommt, ist die Sache nicht minder problematisch. Wie sie läuft, hat man in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit einer Studie zum Thema Vermögensbesteuerung gesehen, die aus dem Haus gekommen ist und im Sozialbericht des Sozialministeriums abgedruckt worden ist; die dann aber weder bei der Präsentation von Ressortchef Johannes Rauch (Grüne) noch auf einer Veranstaltung auf der Wiener Wirtschaftsuniversität vorgestellte werden durfte. „Eine Art Zensur“, schrieb dieSubstanz.at Anfang Juni dazu.
Mahrer (ÖVP) und Holzmann (FPÖ-nah) mögen mit der Studie nichts zu tun haben. Holzmann distanzierte sich in einer ZIB2 sogar davon. Sie outen sich damit als Feinde der Wissenschaft und des offenen Diskurses. Parteiinteressen haben Vorrang. Hätten sie sich selbst zum Gegner, würden sie vielleicht davon reden, dass hier Ideologie über alles gestellt werde. Johannes Rauch behauptete: „Das von ÖVP und FPÖ besetzte Direktorium der Nationalbank weigert sich, eine seriöse Debatte über die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen in Österreich zu führen.“ Eine schwerwiegende Unterstellung, die sich nicht widerlegen lässt.
Man muss nicht für eine Vermögenssteuer sein, um zu erkennen, was schiefläuft: Nicht einmal in einer Institution wie der Nationalbank soll ausgeleuchtet werden dürfen, was ist. Wie es um Vermögensverhältnisse bestellt ist, wie sie entstehen und wachsen und welche Gründe es geben könnte, steuerlich stärker anzusetzen. In der Studie ist das sehr eingehend skizziert worden. Es wäre eine belastbare Grundlage für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema, die Gegner wie Befürworter weiterbringen könnte.