Politik ohne Journalisten

ANALYSE. Nicht nur deutsche Fußballvereine nehmen die Berichterstattung selbst in die Hand. Auch in der österreichischen Politik ist diese Entwicklung schon weit fortgeschritten. 

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ANALYSE. Nicht nur deutsche Fußballvereine nehmen die Berichterstattung selbst in die Hand. Auch in der österreichischen Politik ist diese Entwicklung schon weit fortgeschritten.

Der NDR hat in der deutschen Bundesliga eine bemerkenswerte Entwicklung festgestellt: „Fußball ohne Journalisten“, lautet der Titel eines Artikels darüber, dass Vereine auf Pressekonferenzen nur noch Fragen zu bestimmten Themen zulassen wollen, vor allem aber darüber, dass einige die Berichterstattung gleich selbst in die Hand nehmen: Der FC Bayern hat einen eigenen Fernsehsender aufgebaut, da kann er 24 Stunden am Tag berichten, was er will: „Ohne störende Journalisten“, wie der NDR bemerkt. Eine Kehrseite der Medaille: Der Bayerische Rundfunk schafft es nicht mehr, Spieler in sein Studio zu bekommen. Auftritte dort sind aus Vereinssicht wohl auch nicht mehr nötig.

Als Österreicher kommt einem das bekannt vor, eine solche Entwicklung gibt es auch in der hiesigen Bundespolitik. Sie ist halt schleichend: Zunächst einmal ist ein gewisser Rückzug festzustellen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) strich das Pressefoyer nach dem Ministerrat. Und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) schaffte es doch glatt sechs Jahre lang, als Regierungsmitglied nicht in der ORF-Pressestunde aufzutreten. Er hat immer wieder abgesagt. Das sei keine „Bösartigkeit“ gewesen, sondern habe terminliche Gründe gehabt, ließ er bei seiner Premiere im März 2017 wissen. Wie auch immer: Beide haben sich damit wohl auch weniger angenehme Journalistenfragen erspart.

Der zweite Schritt: Man baue sich eigene Kanäle auf. Kern lässt seine Auftritte immer öfter gleich selbst über soziale Medien präsentieren; und zwar live. Viel weiter noch in dieser Disziplin sind Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Der ÖVP-Hoffnungsträger hat bereits 479.222 „Fans“ auf Facebook, der Oppositionspolitiker 561.998. Sie werden ständig mit mehr oder weniger relevanten „Infos“ bedient. Eine solche Öffentlichkeit muss man erst einmal zusammenbringen; es gibt jedenfalls nicht viele klassische Medien, denen das gelingt.

Dass ein Minister oder Abgeordneter auch auf Twitter und Facebook vertreten ist, ist ja selbstverständlich. Entscheidend sind jedoch die Ressourcen, die er dafür nützen kann.

Der dritte Schritt: Man schaffe sich Ressourcen, um sich die Selbstdarstellung in der gewünschten Art und Weise leisten zu können. Dass ein Minister oder Abgeordneter auch auf Twitter und Facebook vertreten ist, ist ja selbstverständlich. Entscheidend dabei ist jedoch, wie viel er dafür – auf Steuerzahlerkosten – investieren kann. Und das ist in Österreich summa summarum wohl ungleich mehr, als insbesondere privaten Medienhäusern zur Verfügung steht.

Die 16 Regierungsmitglieder haben, wie im vergangenen August an dieser Stelle dargestellt, (damals) 36 Pressesprecher und Social Media-Manager. Das ist um ein Vielfaches mehr, als eine durchschnittliche Innenpolitik-Redaktion Mitarbeiter hat. Damit lässt sich einiges machen. Doch es reicht ganz offensichtlich nicht. Ein guter Teil der Fotos, die von Kern, Kurz und Co. erscheinen, stammen von Fotografen, die sie insbesondere für Auslandstermine engagieren lassen. Zumal es sich kaum ein Medium (mehr) leisten kann, ebenfalls einen Fotografen mitzuschicken, hat die Politik damit quasi das Bild, das von ihr entstehen soll, auch schon in der Hand.

Klassische Medien sind ressourcenmäßig klar im Nachteil.

Klassische Medien sind ressourcenmäßig klar im Nachteil: Im Unterschied zur Politik sind sie eher marktwirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Und dann werden sie auch noch kurz gehalten: Parteienförderung und Pressförderung waren einst gleich hoch; heute ist die Parteienförderung mit knapp 62 Millionen Euro siebeneinhalb Mal höher (die Presseförderung betrug, ebenfalls im vergangenen Jahr, 8,4 Millionen Euro).

Natürlich fließt aus öffentlichen Töpfen noch mehr an Zeitungen. Stichwort Inserate. Diese sind jedoch an keine Regelungen gebunden – und stehen folglich im Geruch, mit einer entsprechenden Berichterstattung zusammenzuhängen. Was letztlich auch im Sinne einer Politik ohne (kritische) Journalisten ist.

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