Polit-Beben

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ANALYSE. Das Superwahljahr ist eröffnet: Das Salzburg-Stadt-Ergebnis enthält Ernüchterndes für alle Parlamentsparteien auf Bundesebene.

Hin und wieder scheint sich der Boulevard selbst nicht ernst zu nehmen. Vergangenen Freitag berichtete die Gratiszeitung „Heute“ von einem „Polit-Beben“. Grund: Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte den Rücktritt von Staatssekretär Florian Tursky verkündet. Von einem „Beben“ konnte also keine Rede sein.

Schlimmer ist jedoch, dass sehr viele Medien einem türkisen Spin auf den Leim gegangen sind: Tursky gehe, weil er sich voll auf die Bürgermeister-Wahl in Innsbruck konzentrieren wolle, die nach Ostern stattfinden wird, hieß es. In Wirklichkeit ist es dafür jedoch zu spät. Wenn, dann hätte er das schon vor Monaten machen müssen; ist er kommunalpolitisch doch kein glaubwürdiger Player, hätte er es also notwendig, sich hier umso mehr zu engagieren.

Sehr viel spricht dafür, dass Tursky aus dem Spiel genommen wird; damit seine Niederlage bei der Bürgermeister-Wahl in der Tiroler-Landeshauptstadt nicht zur Niederlage seines Kapitäns Karl Nehammer wird. Genauer: Damit sie weniger als solche gesehen werden kann.

Der Eigendynamiken sind aus Sicht des ÖVP-Chefs ohnehin schon schwer kontrollierbar und gefährlich. Die Führung über die Stadt Salzburg muss seine Partei nach der gestrigen Gemeinderats- und Bürgermeister-Wahl abgeben. Nicht einmal in die Sichtwahl hat man es geschafft. Mit Glück nicht das schlechteste Gemeinderatswahlergebnis der Geschichte hat die Volkspartei erzielt.

Die Salzburg-Wahlen stehen nicht nur für ein kommunales Ereignis, bei dem man auf Bundesebene sagen kann, es sei nichts. Die Urnengänge standen im Zeichen österreichweiter Stimmungslagen. In einer 150.000-Einwohner-Landeshauptstadt kommen sie mehr zum Tragen als in einer Landgemeinde, in der jeder jeden und jede jede kennt, Bürgermeister:in inklusive.

Bei dieser Gemeinderatswahl hat die ÖVP eben ihr bisher zweitschlechtestes Ergebnis erzielt, Freiheitliche und Grüne eines ihrer schlechtesten sowie Sozialdemokraten und (vergleichsweise noch junge) Neos ihr schlechtestes. Vor allem, aber nicht nur, weil die Kommunisten mit Kay-Michael Dankl abgeräumt haben.

Das gehört in die Bundespolitik „übersetzt“: Die ÖVP hat eine echte Krise. Für Freiheitliche sowie Sozialdemokraten, Neos und Grüne gleichermaßen ist ein politischer Mitbewerber wie Dankl gefährlich. Neos und Grüne haben das schon bei der Bundespräsidenten-Wahl gemerkt: Dort hat ein erheblicher Teil ihrer Wähler für Dominik Wlazny gestimmt, nicht für Alexander Van der Bellen. Natürlich: Wlazny und Dankl verbindet nur, dass sie unverbraucht, anders und ehrlich wirken, was für viele schon mehr als genug zu sein scheint; vor allem eben für Wähler von Neos und Grünen, die ihren Parteien am wenigsten treu sind, sodass diese Parteien vor jedem Urnengang beinahe wieder bei null anfangen müssen.

Die SPÖ kann sich nach Salzburg zwar freuen, dass ihr Mann Bernhard Auinger in die Bürgermeister-Stichwahl gegen Dankl kommt. Sie kann im Übrigen einen Teil ihres bescheidenen Gemeinderats-Ergebnisses damit begründen, dass mehr als 25 Prozent bei 23 Prozent für eine linkere KPÖ plus nicht drinnen sind. Ein Problem bleibt jedoch: Aus ihrer Sicht hätte links von ihr mit sozialen Themen nie so viel Platz für eine andere Partei und ein anderes Angebot entstehen dürfen. Zumal das Platz ist, der auch bei Nationalratswahlen besetzt sein wird: Mit Dankl baut die KPÖ in Salzburg ja Strukturen auf, gewinnt Funktionäre, die für sie rennen.

Nicht lustig war der Salzburg-Wahlabend auch für Herbert Kickl: Es ist nicht mehr so, dass ein freiheitlicher Bundesobmann, der gerade strahlt, auf allen Ebenen allen Parteifreunden große Erfolge beschert. Und: Kickl liegt mit der FPÖ vorne, weil sich ÖVP, aber auch SPÖ schwertun; und weil er als Absage an das wahrgenommen wird, was als Bundespolitik verstanden wird von seinen Anhängern. Einer wie Dankl ist ihm dabei jedoch gefährlich: Dieser Typ Politiker steht nicht für eine Absage, sondern für eine Alternative, die gerade Leute anspricht, die auch Kickl-Zielgruppe sind. Leute, die enttäuscht sind und sich nichts mehr erwarten. Leute, die einem wie Dankl jedoch abnehmen, dass er sich wirklich um ihre Anliegen kümmert.

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