Polarisierung gefährdet die Volkspartei

ANALYSE. Die ÖVP hat ein Problem: Ihre Anhängerschaft ist gespalten wie die keiner anderen Partei. Vor allem Sebastian Kurz geht damit ein großes Risiko ein. 

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ANALYSE. Die ÖVP hat ein Problem: Ihre Anhängerschaft ist gespalten wie die keiner anderen Partei. Vor allem Sebastian Kurz geht damit ein großes Risiko ein.

Die Gräben zwischen den Regierungsparteien seien noch tiefer geworden, lässt ORF.at die Politikberater der Nation das Offensichtliche sagen. Von einem gemeinsamen Neustart kann tatsächlich keine Rede sein; der Antritt von Christian Kern als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender ist vielmehr der Auftakt für eine Art Vorwahlkampf: Kern schlägt ganz offensichtlich bewusst Pflöcke auf der linken Seite ein und schärft somit sein Profil. Was wiederum ÖVP-Hoffnungsträger Sebastian Kurz ermuntert, das gegenüber zu machen, indem er fordert, Flüchtlinge auf einer Mittelmeerinsel zu internieren.

Wenn das auf eine baldige Nationalratswahl hinausläuft, ist Kerns Vorgangsweise nachvollziehbar, jene von Kurz dagegen äußerst riskant. Eine Erklärung dafür ist in der Analyse zu finden, die SORA im Auftrag des ORF zur Bundespräsidenten-Stichwahl Ende Mai erstellt hat: Damals gab es für die Wähler nur „Links“ oder „Rechts“. Beziehungsweise Alexander Van der Bellen (Grüne) oder Norbert Hofer (FPÖ). Verschärft wurde dies durch die Flüchtlingsdebatte, wo Van der Bellen einen humanitären und Hofer einen restriktiven Kurs propagierte.

Bemerkenswert ist folglich, wie sich die SPÖ- und ÖVP-Wähler von der Nationalratswahl 2013 entschieden haben: 753.000 bzw. zwei Drittel der Sozialdemokraten, die diesmal eine gültige Stimme abgegeben haben, unterstützten Van der Bellen und nur 347.000 Hofer. Bei den ÖVP-Anhängern setzte sich ebenfalls Van der Bellen durch – mit 499.000 Stimmen aber nur knapp; immerhin 453.000 – also gut die Hälfte – wählten Hofer.

Versucht sich die ÖVP rechts zu profilieren, kann sie nur darauf setzen, viel mehr potenzielle FPÖ-Wähler zu gewinnen als sie eigene Anhänger verliert. 

Für die Volkspartei ist das ein Alarmsignal: Im Falle einer Polarisierung droht ihr ein großer Teil ihrer bisherigen Anhängerschaft abhanden zu kommen. Versucht sie sich rechts zu profilieren, kann sie nur darauf setzen, viel mehr potenzielle FPÖ-Wähler zu gewinnen. Und das ist angesichts des Zustandes der Freiheitlichen schwer bis unmöglich.

Abgesehen davon hätte bei einer solchen Polarisierung die ÖVP mit den Freiheitlichen einen ungleich stärkeren Mitbewerber, als ihn die Kern-SPÖ mit den Grünen hätte, die nach wie vor eher auf urbane Räume beschränkt sind.

Was sich für die ÖVP vor allem rächt, ist, dass sie die letzten Jahre nicht dazu genützt hat, sich inhaltlich neu auszurichten. Zumal die Zeiten der Volksparteien, die es aus der Mitte heraus fast allen recht machen, vorbei sind, wäre das überfällig gewesen. Das Ergebnis dieser Versäumnisse ist eine gespaltene Anhängerschaft wie bei keiner anderen Partei.

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