Parteivorsitz: Kurz mächtiger als Stronach?

ANALYSE. Statutenänderungen, die die ÖVP plant, wirken ziemlich einmalig. Zum Beispiel, was die Rolle des Vorsitzenden bei Listenerstellungen angeht. Ein Fakten-Check. 

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ANALYSE. Statutenänderungen, die die ÖVP plant, wirken ziemlich einmalig. Zum Beispiel, was die Rolle des Vorsitzenden bei Listenerstellungen angeht. Ein Fakten-Check.

Besser, als gleich von einer „Orbanisiserung“ der ÖVP unter ihrem designierten Bundesobmann Sebastian Kurz zu sprechen, ist es, sich die Fakten anzuschauen. Und da wirken die Pläne des 30-Jährigen aufs erste sehr autoritär. Ganz besonders, was seine Rolle bei der Erstellung von Nationalratswahllisten angeht. Immerhin aber könnten sie durch eine Bestimmung letzten Endes relativiert werden.

Zunächst eine Einordnung auf Basis eines Vergleichs der Statuten der im Parlament vertretenen Parteien. Vorweg: Größte Demokratie herrscht bei den kleinen Oppositionsparteien.

  • Die NEOS erstellen etwa die Bundesliste in einem dreistufigen Verfahren. Dabei haben nicht nur Funktionären über den Vorstand (Stufe 2) und die Mitgliederversammlung (Stufe 3) Einflussmöglichkeiten, sondern auch Nichtmitglieder. Und zwar über eine „öffentliche-Online-Vorwahl“, an der sie teilnehmen dürfen, sofern sie „das 16. Lebensjahr vollendet haben sowie entweder in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben oder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen“.
  • Die Grünen lassen ihre Bundesliste auf einem Bundeskongress (Parteitag) durch die Delegierten wählen. Diese bestätigen im Übrigen die Landes- und Regionalwahlkreislisten.
  • Die SPÖ lässt sämtliche Wahlvorschläge für eine Nationalratswahl immerhin von einem Bundesparteirat („kleiner Parteitag“) beschließen.
  • Bei der FPÖ obliegt dem Bundesvorstand die Erstellung eines Bundeswahlvorschlages. Landes- und Regionalwahlkreislisten fixiert er wiederum „im Einvernehmen“ mit der jeweiligen Landespartei.
  • Auch beim Team Stronach checkt der Bundesvorstand „Kandidatenlisten für allgemeine Vertretungskörper“. Was ebenfalls noch relativ demokratisch klingt, hat jedoch einen Haken: Der Vorstand besteht aus dem Obmann, seinem Stellvertreter und dem Finanzreferenten. Damit hat Frank Stronach, der Obmann, de facto das Sagen; der Finanzreferent wird nämlich von ihm „bestellt und abberufen“.
  • Bei der ÖVP waren Listenerstellungen bisher vor allem eine Vorstandsaufgabe: Die Bundesliste beschloss der Bundesvorstand auf Vorschlag des Bundesparteiobmannes, die weiteren Listen für Nationalratswahlen genehmigte er. Sebastian Kurz will diese Kompetenz übernehmen: Die Bundesliste möchte er alleinverantwortlich fixieren und bei den Landeslisten eine Vetomöglichkeit haben. Womit er als Parteichef eine Macht erhalten würde, wie sie in dieser Frage ansonsten bisher nur Franz Stronach hatte, der seinen Rückzug aus der Politik allerdings schon angekündigt und damit wohl auch das Ende des Team Stronach besiegelt hat. Doch zurück zur ÖVP und Kurz: Relativiert werden könnte sein Vorhaben durch seine Absicht, Vorzugsstimmen mehr Gewicht zu verleihen. Die gesetzlichen Hürden bei den Vorzugsstimmen sind ja so hoch, dass es praktisch nie zu Umreihungen kommt; so gut wie kein Kandidat schafft die nötigen Vorzugsstimmen für eine Vorreihung. Die ÖVP hat daher schon heute in ihrem Statut eine Selbstverpflichtungsmöglichkeit: „Parteiinterne Regeln, die im Ergebnis dazu führen, dass Kandidaten, die durch die Erzielung von Vorzugsstimmen nachweisen können, über eine stärkere Zustimmung bei den Wählern zu verfügen als andere, der Vorzug bei der Mandatsvergabe zu geben ist, (sind) von allen Kandidaten der ÖVP einzuhalten.“

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