ANALYSE. Normalität, Glaub an Österreich, Leitkultur, Arbeitszeit: Karl Nehammer und Co. testen, wie tief man fallen kann. Vielleicht sollten sie sich stattdessen einfach nur an Anton „Toni“ Mattle orientieren.
Es ist so vieles, was dazu führt, dass ÖVP-Chef Karl Nehammer und Co. mit einem Versuch nach dem anderen scheitern, Tritt zu fassen. Wer zum Beispiel darauf setzt, mit dem Begriff „Normalität“ zu punkten, sollte mehr dazu zu sagen haben als Schnitzelessen. Sonst kommt es so, wie es im vergangenen Sommer gekommen ist: Nach wenigen war das Thema erledigt.
Daraus gelernt? Woher: Es folgte eine Kampagne mit dem Titel „Glaub an Österreich“, bei der ebenso wenig dahinter steckte und die dann Nehammer unfreiwillig selbst abwürgte. Leute, die es übel meinten mit ihm, veröffentlichten ein Video mit einer Rede, die er ein paar Wochen davor vor Sympathisanten gehalten hatte und in der er Leuten mit beschränkten Mitteln empfohlen hatte, ihre Kinder einfach billige Hamburger essen zu schicken – eine Botschaft, die dazu angetan war, an Österreich zu zweifeln.
Daraus gelernt? Woher: Vor Ostern setzte die ÖVP zu einer „Leitkultur“-Debatte an. Problem: Damit es zu einer Debatte kommen kann, muss man zunächst etwas liefern. Gehaltvolles. Nicht Blasmusik und Sprüche wie „Tradition statt Multikulti“. Also derart tiefes, dass es auch Funktionären aus den eigenen Reihen aufstößt, sodass man sich gezwungen sieht, es sein zu lassen. Ergebnis: „Leitkultur“ ist erledigt. Siehe Grafik bzw. Google-Suchanfragen, die das Interesse am Thema im Zeitverlauf dokumentieren. Aus und vorbei.
Und jetzt auch noch die Beiträge zur Arbeitszeitdebatte. Die IV würde gerne auf 41 Wochenstunden gehen. ÖVP-Hoffnungsträgerin Karoline Edtstadler hat insofern Sympathie dafür gezeigt als sie meinte, dass man mehr arbeiten müsste. Wichtiger: Sie hat übersehen, wie heikel dieses Thema ist und sich nicht präzise zu den 41 Stunden geäußert. Tags darauf sehen sich daher sie und der Kanzler, Parteichef Nehammer, gezwungen, zu erklären, dass man die IV-Forderung fix nicht unterstütze. Der Schaden für die Partei ist jedoch angerichtet. So bewegt man sich Richtung 15 Prozent.
Was läuft hier schief? Es ist vor allem, aber nicht nur Unvermögen. Es ist kein Trost für Nehammer und Co. aber immerhin etwas, was für sie spricht: Sie verfügen nicht über die Hemmungslosigkeit, mit der sehr wahrscheinlich Sebastian Kurz eine „Leitkultur“-Debatte geführt hätte oder mit der Herbert Kickl (FPÖ) sie führt. Dieser sagt schlicht: Leitkultur ist, wie wir sind. Das ist vollkommen anspruchslos, es kann sich aber jeder zusammenreimen, was ihm gefällt. Darum geht’s ihm. Es ist schlichter Populismus.
Nehammer und Co. wären gerne Mitte und pro Europa, sie glauben aber, Wahlniederlagen nach Kurz nur dadurch begrenzen zu können, dass sie nach rechts blinken und immer wieder auch antieuropäische Signale aussenden. Sie wären im Übrigen gerne wirtschaftsfreundlich, bei der Arbeitszeit ist letztlich aber Schluss. Zumal damit die langwierige Mühe einhergehen würde, Unpopuläres erst populär machen zu müssen.
Allmählich ist ein Punkt erreicht, an dem es bei Nehammer und Co. sickern könnte: Es wäre besser, sie würden Ansätze wie die „Normalität“, „Glaub an Österreich“ oder eben die „Leitkultur“ bleiben lassen. Dann würden sie sich zumindest selbst nicht noch mehr schaden: Im Moment liegen sie mit ihrer Partei ziemlich genau auf Vor-Kurz-Niveau. Tendenziell geht’s darunter. Das heißt, dass sie zunehmend auch treuere Wähler vertreiben. Wähler, denen eine solide, konservativ-unaufgeregte Politik vollkommen reichen würde; eine, wie sie zum Beispiel ein Anton „Toni“ Mattle in Tirol betreibt.