Für die Grünen geht’s um die Existenz

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ANALYSE. Wieder einmal steht die Partei von Werner Kogler vor schweren Zeiten. Der Verlust des Bürgermeister-Amtes in Innsbruck wäre eine Katastrophe für sie.

Wäre Grünen-Chef Werner Kogler einfach gestrickt, er würde auf eine Niederlage seines Parteifreundes Georg Willi setzen. Als Amtsinhaber muss sich dieser am kommenden Sonntag einer „Bürgermeister-Stichwahl“ stellen. Ob er oder Ex-ÖVP-Mann Johannes Anzengruber gewinnen wird, scheint vollkommen offen. In der ersten Runde hat Willi 22,9 Prozent erreicht, Anzengruber 19,4.

Vor einigen Wochen ließ der Tiroler Grüne aufhorchen: Kogler sei aus seiner Sicht nicht fix als Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl Ende September. Gleichzeitig signalisierte er, dass seines Erachtens die Ministerinnen Alma Zadić und Leonore Gewessler dafür geeignet wären – woraufhin Kogler zeigte, dass er drübersteht: Er ließ zum Dissens wissen, dass er keinen Dissens zwischen ihm und Willi sehe.

Tatsächlich ist Kogler gut beraten, dem Bürgermeister die Daumen zu drücken. Vor sechs Jahren war es schön für die Grünen, dass sie die Führung über die Stadt Innsbruck gewonnen haben. Es fügte sich ein in eine Phase, die für sie mehr oder weniger im Zeichen des Machtgewinns stand. In Wien, Tirol, Salzburg, Vorarlberg und zunächst noch Kärnten waren sie in der Landesregierung vertreten. Mittlerweile ist das fast alles verloren. Nur noch in Vorarlberg haben sie sich halten können. Dort werden sie und die ÖVP bei der Landtagswahl im Herbst aber kaum noch eine Mehrheit erreichen, sodass auch das gefährdet ist.

Parallel dazu ist die Zukunft auf Bundesebene ungewiss. Im schlimmsten Fall werden Ende des Jahres also auch die Regierungsbeteiligungen auf Bundesebene und in Vorarlberg sowie das Bürgermeister-Amt in Innsbruck weg sein.

Gerade dieses ist extrem wichtig für die Grünen. Viel mehr als Neos sind sie abhängig davon, in Städten stark zu sein. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie dort aufzeigen können. Das geht am ehesten über eine Spitzenfunktion. Sonst ist das schwierig. In Wien haben sie sich bis heute nicht davon erholt, dass sie die SPÖ 2020 in die Opposition fallen ließ.

Ohne Städte sind Grüne deutlich weniger stark. Also relativ schwach. Siehe Ergebnisse der Nationalratswahl 2019: In den zehn größten Städten, von Wien über Innsbruck bis Dornbirn, kamen sie auf 20,7 Prozent. Im übrigen Österreich mussten sie sich mit 11,2 Prozent begnügen. Eine solche Stadt-Land-Diskrepanz gab es damals bei keiner anderen Partei. Auch nicht im umgekehrten Sinne. Siehe Grafik.

Innsbruck ist sogar doppelt wichtig für die Grünen: Nicht nur, weil es sich um eine Stadt handelt, sondern auch, weil es eine besonders junge, studentisch und akademisch geprägte Stadt ist. Gemessen an der Gesamtwählerschaft und -Bevölkerung spielt das hier eine noch größere Rolle als in Wien.

Hier, im Westen, finden sie ihre Klientel konzentrierter vor, ist es aus ihrer Sicht ganz und gar nicht egal, ob sie durch das Bürgermeister-Amt sichtbar aufzeigen können, was es heißt, wenn sie führen; oder wenn sie in eine weniger sichtbare Funktion verschwinden und nicht mehr diese Möglichkeit haben, Akzente zu setzen.

Siehe noch einmal Wien: Gerade die Grünen sprechen zu einem erhebliche Teil Stimmungswähler an. Sie sind daher angewiesen darauf, diese buchstäblich bei Laune halten zu können. Sonst müssen sie Konkurrenz wie die Bierpartie von Dominik Wlazny fürchten. Diese könnte sie in der Bundeshauptstadt zumindest derzeit überholen. Kann sein, dass es ihr nie gelingen wird. Allein die Möglichkeit ist jedoch alarmierend für die Grünen.

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