ÖVP ohne Budgetkompetenz

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ANALYSE. Die Zusammensetzung des Sondierungsteams von Sebastian Kurz ist bemerkenswert. Entscheidendes hat Nachrang.

Ganz oben auf der Agenda der nächsten Regierung werde der drohende Wirtschaftsabschwung sowie eine Steuersenkung stehen, hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz gesagt. Umso bemerkenswerter ist die Zusammensetzung seiner Sondierungsriege: An seiner Seite sitzen Ex-Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck, Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sowie seine weiteren Vertrauten August Wöginger, Gernot Blümel und Stefan Steiner. Klar, Wirtschaft ist damit sogar zweimal vertreten – einmal durch Köstinger (Agrar) und einmal durch Schramböck (alles Übrige). Was in diesem Team aber fehlt ist dies: Budgetkompetenz.

Budgetäre Fragen waren für die ÖVP in der Vergangenheit immer am wichtigsten bei Regierungsverhandlungen. Und das war keine Show, sondern wirklich ernst gemeint. Im Zweifelsfall ließ man Verhandlungen an budgetären Fragen platzen (1995 und 1999 beispielsweise). Auch die neue ÖVP spricht gerne von einer Budgetwende, groß unterfüttert ist das aber nicht. An Wahlgeschenken hat sie im September genauso mitgewirkt wie andere Parteien; und die kleinen Überschüsse, die nicht zuletzt auch dank bester Wirtschaftslage zusammengekommen sind, müssen aufgrund einer relativ leichten Abkühlung im kommenden Jahr schon wieder einem Defizit weichen.

So gesehen wäre bei diesen Sondierungsgesprächen Budgetkompetenz ganz besonders gefragt: Welche Impulse kann man setzen? Wieviel ist möglich? Welche Steuern könnten jetzt vordringlich gesenkt werden. Ja, auch über die Wirtschaftsflaute hinaus sind solche Fragestellungen gefordert: Die Grünen würden beispielsweise größten Wert auf eine Ökologisierung des Steuersystems legen. Wer ist da ihr Gegenüber bei der ÖVP, wenn es um Inhaltliches geht?

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Vergessen wir’s: Darum geht es ohnehin nicht. Türkise Politik ist eine Mischung aus Populärem und Interessengesteuertem. Auch von daher sind eine ehemalige Wirtschafts- und eine ehemalige Landwirtschaftsministerin im Sondierungsteam anzutreffen, aber eben kein ehemaliger Finanzminister oder in Vertretung eines solchen wenigstens jemand, der über eine Tiefenkenntnis in budgetären Belangen verfügt. Ein solcher würde eher nur stören und zum Beispiel auf eine Pensionsreform drängen. Schließlich ist die Altersversorgung der größte Brocken mit noch dazu stark steigender Tendenz; und weniger die Mindestsicherung oder andere Bereiche, die sich eher nur für symbolische Maßnahmen so treffend eigenen.

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