ÖVP-Mut kommt vor dem Fall

ANALYSE. Wer in der Volkspartei glaubt, das Glück in Neuwahlen suchen zu müssen, hat aus der jüngeren Vergangenheit nichts gelernt.

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ANALYSE. Wer in der Volkspartei glaubt, das Glück in Neuwahlen suchen zu müssen, hat aus der jüngeren Vergangenheit nichts gelernt.

Der Koalitionspartner ist de facto führungslos und kann nicht einmal mehr den Kanzler stellen: Kein Wunder, dass es in der ÖVP Leute geben soll, die die große Chance für vorgezogene Nationalratswahlen gekommen sehen. Doch Pateichef Reinhold Mitterlehner bremst offiziell. Aus gutem Grund.

Die ÖVP befindet sich in einer Art Doppelmühle: Kürt die Sozialdemokratie ein Kaliber wie Bahnchef Christian Kern oder Medienmanager Gerhard Zeiler zu ihrem neuen Chef, gerät auch sie unter Zugzwang; sonst fällt sie endgültig auf Platz drei in der Wählergunst zurück, während sich die SPÖ wieder erholt.

Oder sie nützt die Gelegenheit, um in Neuwahlen zu ziehen. Doch das wäre hochriskant. Genauso wenig wie der Koalitionspartner hat sie eine Geschichte zu erzählen, die die Wähler für sie überzeugt. Ein Kopf allein genügt dazu jedenfalls nicht; auch wenn es sich um Außenminister Sebastian Kurz handelt.

Der ÖVP eine Warnung müssten zwei Nationalratswahlen in den vergangenen zehn Jahren sein: 2006 lag die Sozialdemokratie buchstäblich am Boden. Vorübergehend war sogar offen, ob die Gewerkschaft die BAWAG-Affäre überhaupt überstehen würde. Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sah wie der sichere Wahlsieger aus. Zum Verhängnis wurden ihm jedoch zwei Dinge: Die Koalition (Schwarz-Blau/Orange) war „unten durch“; und er hatte keine Alternative zur einstigen „Wende“ mehr auf Lager, die diese verkörpert haben soll. Ergebnis: Am Wahlabend lag die SPÖ mit dem späteren Kanzler Alfred Gusenbauer vorne.

Der Inhalt ist nach wie vor die große Schwäche der Volkspartei: In zentralen Fragen ist sie gespalten. 

2008 nützte ÖVP-Chef Wilhelm Molterer die Turbulenzen in der Sozialdemokratie für den Absprung: „Es reicht“, verkündete er und riskierte Neuwahlen. Mit dem bekannten Ergebnis. Auch er hatte sich allein darauf verlassen, dass eine Krise des Koalitionspartners automatisch zum Erfolg der Volkspartei führt. Ein Irrtum; die ÖVP hätte schon auch ein eigenes Angebot liefen müssen – und zwar sowohl ein personelles als auch inhaltliches.

Der Inhalt ist nach wie vor die große Schwäche der Volkspartei: In zentralen Fragen ist sie gespalten. Beispiel „Bildungsreform“: Mitterlehner ist damit gescheitert, eine programmatische Weiterentwicklung durchzusetzen. Also versuchen sich die Funktionäre in Westösterreich an einer Gemeinsamen Schule, während ihre Kollegen im Osten dagegen kampagnisieren. Beispiel „Pensionen“: Der jüngste Reformversuch hat gezeigt, dass nicht nur Sozialdemokraten auf der Bremse stehen, wie man in der ÖVP gerne erzählt, sondern auch „schwarze“ Senioren-, Arbeitnehmer- (ÖAAB) und Beamtenvertreter (GÖD). Und bei einer großen Staatsreform inkl. Verwaltungsabbau würde die Volkspartei überhaupt an sich selbst scheitern; hier stehen Bundes- und Ländervertreter gegeneinander.

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