ÖVP in größerer Not

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ANALYSE. Innsbrucks neuer Bürgermeister Johannes Anzengruber zeigt nach seinem Wahlerfolg auch inhaltlich auf: Türkise haben nicht nur rechts ein Problem, sondern auch in der Mitte.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bemüht sich mit seiner Leitkultur, also einer gesellschaftlichen Verengung, ebenso um einen Wettbewerb mit der FPÖ wie mit seinem „Aus für das Verbrenner-Aus“. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als mit Freiheitlichen eine Koalition einzugehen und ein entsprechendes Programm vorzulegen: Mit Binnen-I-Verbot, Deutschpflicht auf Schulhöfen etc.

Die türkise Volkspartei biedert sich – frei nach Othmar Karas – an den rechten Rändern an und bekommt umso mehr auch in der Mitte ein Problem: In Innsbruck ist sie bei der jüngsten Gemeinderatswahl unter Führung von Ex-Staatssekretär Florian Tursky abgestürzt. Bürgerliche gewonnen hat weniger sie als Ex-Hüttenwirt Johannes Anzengruber, den sie dummerweise ausgeschlossen hatte. Es war eine Demütigung.

Und jetzt folgt eine Beschämung: Anzengruber ist Bürgermeister einer Stadtregierung, der neben seiner Liste auch Grüne (mit Ex-Bürgermeister Georg Willi) und Sozialdemokraten angehören und die sich gerade ein Programm gegeben hat, das ein maximal möglicher Kontrast zu dem ist, was Mikl-Leitner in St. Pölten mit der FPÖ vereinbart oder Nehammer mit Blick auf diese in seinem „Österreich-Plan“ festgehalten hat.

„Wir sehen, fühlen und verstehen uns als Stadt, als eine Gemeinschaft von Menschen, unabhängig von Parametern wie sozialem Status oder wirtschaftlichem Vermögen, Nationalität, religiöser, weltanschaulicher oder sexueller Orientierung“, heißt es in der Präambel gleich einmal. Inklusive Hinweis, dass man sich auch jenen verpflichtet fühle, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Staatsangehörigkeit nicht wahlberechtigt seien: Das ist für österreichische Verhältnisse im Jahr 2024 schon sehr bemerkenswert.

Zuständigkeiten und Möglichkeiten der Kommunalpolitik mögen begrenzt sein. Das hindert Anzengruber und Co. aber nicht daran, sich „klar, eindeutig und ohne jede Einschränkung“ zur EU zu bekennen und zu betonen, dass Innsbruck Europastadt sei. Es hindert sie im Übrigen nicht, zu betonen, dass es „die Klimakrise“ gebe und sie „deutlich spürbar“ sei. Warum auch soll es sie hindern: Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung sind auch hier möglich, wie in dem Programm durch Ansätze wie „Schwamm-Stadt“ dokumentiert wird. Derlei ist ebenfalls nicht selbstverständlich: Nehammer und Mikl-Leitner arbeiten sich lieber an Klimaklebern ab.

Oder am Binnen-I. Mit diesem hat man in Innsbruck mit Sicherheit kein Problem. Dort heißt es: „Unsere Bemühungen um Gleichstellung und Inklusion werden zudem durch kontinuierliche Sensibilisierungsmaßnahmen und -kampagnen unterstützt, die das Bewusstsein für die Bedeutung von Diversität und die Notwendigkeit eines respektvollen Umgangs miteinander stärken.“

Bezeichnend auch die einleitenden Worte im Integrationskapitel: „Innsbruck ist eine weltoffene und vielfältige Stadt, in der Menschen aus mehr als 152 Nationen zusammenleben. Das Miteinander verschiedener Kulturen und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft bietet die Möglichkeit, unsere Gemeinschaft zu bereichern.“

Naiv? Abgesehen davon, dass man nicht vergessen sollte, dass Anzengruber bei der Gemeinderatswahl viel mehr ÖVP-Anhänger überzeugt hat als ÖVP-Mann Florian Tursky, enthält dieses Kapitel Überlegungen, wie Integration gefördert werden könnte. Ja, werden in dem 96 Seiten umfassenden Programm auch ausführlich Wirtschafts- und Wohnungsfragen erörtert. Immerhin zähle Wohnen zu den grundlegenden Bedürfnissen, wie betont wird. Falls jemand meint, die Sorgen der Menschen hätten keinen Platz darin.

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