ANALYSE. In Niederösterreich hat FPÖ-Landesrat Waldhäusl eine „Triage“ für Flüchtlinge angekündigt. Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP) traut sich nicht, dagegen vorzugehen. Ihre Partei lebt von freiheitlichen Wählern. Ähnliches ist auch für die Coronapolitik maßgebend.
Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, sei eine „Selbstverständlichkeit“, betont der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Allerdings würden besondere Zeiten auch besondere Maßnahmen erfordern. Also werde es eine „Triage“ geben: Das bedeute, dass „in Niederösterreich nunmehr überhaupt keine jungen Männer aus Syrien bzw. Afghanistan, sondern nur noch Frauen und Kinder aus der Ukraine ein Quartier erhalten“, so Waldhäusl auf einer Pressekonferenz bzw. in einer Parteiaussendung dazu.
Das sollte man ernst nehmen: Erstens, Waldhäusl ist in der Landesregierung für das Flüchtlingswesen zuständig. Zweitens, schon in der Vergangenheit hat er gezeigt, dass er nicht nur redet, sondern auch handelt. Zurzeit steht er in St. Pölten vor Gericht, es geht um mutmaßlichen Amtsmissbrauch. In einem Asylquartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) hatte er 2018 minderjährige Flüchtlinge hinter Stacheldraht unterbringen lassen.
Vor allem aber drittens: Die niederösterreichische ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner lässt Waldhäusel gewähren. Sie verfügt über eine absolute Mandatsmehrheit und hätte die Möglichkeit, einzuschreiten. Sie tut es nicht. Waldhäusl ist trotz seiner bisherigen Aktivitäten Landesrat geblieben und durfte auch seine Agenden behalten, die er nun hemmungslos, parteipolitisch motiviert einsetzt. Allein das Bild von besagter Pressekonferenz, das ORF.AT hier gezeigt hat, spricht Bände: Zu sehen ist Waldhäusl vor Plakaten mit Porträtfotos von ihm und Slogans wie „Sicherheit mit Hausverstand“. Hier gehen Amt und Wahlkampf ineinander über. In spätestens einem Jahr findet eine Landtagswahl statt. Möglicherweise wird es noch vor Herbst soweit sein.
Wie die Bundes- steckt auch die niederösterreichische ÖVP in einer Populismusfalle. Genauer: In gleich zwei Fallen. Bei der Pandemie hatte sie schon mehrfach so getan, als wäre sie gemeistert. Die Impfpflicht hat ihr in Waidhofen an der Ybbs Ende Jänner die bekannte Wahlniederlage beschert. Zugunsten der Impfgegnerpartei MFG, die, wenn man auch das Ergebnis der jüngsten Ärztekammer-Wahl in Wien berücksichtigt (auf Anhieb sechs von 90 Mandaten), mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft vorrückt.
Die ÖVP-Antwort, so zu tun, als gebe es Corona nicht mehr, geht weniger denn je auf: Die Impfpflicht hat man zwar wegbekommen. Ausgerechnet das niederösterreichische Landesklinikum Baden-Mödling schlägt nun jedoch Alarm. Wie einer Dienstanweisung des Direktoriums zu entnehmen ist, läuft seit heute (21. März) für mindestens zwei Wochen („möglicherweise auch länger“) nur noch ein Notbetrieb. Alle planbaren Eingriffe fallen aus. Es gibt zu viele Personalausfälle und zu viele Patienten mit Corona.
Da geht es Mikl-Leitner so ähnlich wie ihrem oberösterreichischen Amts- und Parteikollegen Thomas Stelzer: Dieser hatte im Wahlkampf im vergangenen Herbst versucht, nur Wohlfühlthemen zu spielen. Später noch behauptete er, es gebe Gott sei Dank genug Spitalsbetten. Berichte aus den Spitälern widersprachen dem jedoch so sehr, dass er sich letztlich für einen Lockdown aussprechen musste – und damit auch seinen Ruf nachhaltig ramponierte.
Bei den Flüchtlingen betont die ÖVP von Bundesobmann Karl Nehammer abwärts regelmäßig, dass es jetzt bei der Ukraine um Nachbarschaftshilfe gehe. Das sei bei Syrern und Afghanen anders. Markus Wallner, Vorsitzender der LH-Konferenz (ÖVP), erklärt, dass „Religion und Kultur schon ein Faktor“ sei.
Das ist eine gefährliche Argumentation: Flüchtlingsrechte sind universell. Der Volkspartei wird jetzt zum Problem, wie und womit ihr Sebastian Kurz einst Wahlerfolge auf fast allen Ebenen bescherte. Es war Politik gegen „Migranten“, die vor allem auch hunderttausende Stimmen von ehemaligen FPÖ-Anhängern brachte. Ein Mann wie Waldhäusel sieht nun die Chance, einige zurückzuholen. Und eine Frau wie Johanna Mikl-Leitner traut sich mit Blick auf den baldigen Urnengang nicht, dagegen vorzugehen.
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