ANALYSE. Warum die Volkspartei nicht aufhören kann, den Österreichern in finanziellen Fragen weh tun zu wollen, ist schleierhaft. Es ist aber so. Diesmal geht sie Christian Kern in die Falle.
Wollen Sie weniger Geld? Dumme Frage, das will niemand. Wollen Sie weniger zahlen? Aha, da schaut’s schon anders aus. Womit wir zur großen Politik überleiten können: Sollen die Pensionen gekürzt werden? Man muss keine Umfrage durchführen, um zu erahnen, wie Herr und Frau Österreicher darüber denken; sie werden dies empört ablehnen. Weniger Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abliefern, würden sie dagegen schon eher wollen; und zwar vielleicht auch um den „Preis“, dann auch weniger zu bekommen. Man sieht: Der Zugang macht die Musik.
Umso bemerkenswerter ist, dass ÖVP-Politiker seit Jahrzehnten immer nur den einen Zugang wählen; obwohl sie doch mehr als ein Mal schlechte Erfahrungen damit gemacht haben: 1995 glaubten Vizekanzler Wolfgang Schüssel und Wirtschaftsminister Johannes Ditz, mit einem rigiden Sparkurs in die damaligen Nationalratswahlen ziehen zu müssen; das Ergebnis war, dass sie nicht nur nicht ins Kanzleramt kamen; sondern sich die Sozialdemokraten über einen Wahlsieg freuen durften. Irgendwie war das also so: Sie wollten anderen weh tun; und taten am Ende sich selbst weh.
Seinerzeit ging es übrigens sehr stark um Pensionen. Schüssel und Ditz wollten Einschnitte. Was Regierungschef Franz Vranitzky (SPÖ) auf die Idee brachte, den Pensionisten einen Brief zu schreiben, in dem er sie beruhigte bzw. sinngemäß wissen ließ, dass er derlei schon abwehren werde.
Heute setzt der im Vorwahlkampfmodus befindliche Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende Christian Kern noch eins drauf: Er verspricht der älteren Generation einen Hunderter extra. Während besonders ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling in die Falle geht und die Rolle des Bösen übernimmt: Die Pensionen kosten zu viel, die Menschen setzen sich zu früh zur Ruhe und leben immer länger, ließ er in der Budgetrede wissen.
Hat der Mann keinen Berater? Oder allenfalls einen miserablen?
Hat der Mann keinen Berater? Oder allenfalls einen miserablen? Bei solchen Botschaften muss es der älteren Generation alles zusammenziehen. Bedanken und schwarz wählen wird sie jedenfalls nur noch zu einem geringeren Teil. Um nicht missverstanden zu werden: Dass Pensionsreformen notwendig sind, wird niemand ernsthaft bestreiten. Gerade Schelling hätte aber eine andere Möglichkeit, sich an das Thema heranzumachen; und zwar eine, die durchaus auch auf eine breitere Zustimmung stoßen könnte.
Stichwort „Kalte Progression“: Die Österreicher ärgern sich zurecht über diese Form der schleichenden Steuererhöhungen. Also weg damit. Von Jahr zu Jahr kostet sie gut 400 Millionen Euro zusätzlich. Auf Dauer kommen schnell Milliardenbeträge zusammen. Geld, das der Finanzminister aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr verteilen kann. Womit er eine ganz andere Argumentationsgrundlage für die von ihm angestrebten Reformen hätte: Wer weniger zahlen muss, wird viel eher verstehen, dass er weniger bekommt.