Neue Radikale

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ANALYSE. In der FPÖ macht sich ein Geist von Kickl breit, der einer offenen, pluralistischen Gesellschaft den Kampf ansagt und Massenrückführungen das Wort redet. Signal: Es macht schon keinen Unterschied mehr, ob die Partei mit oder ohne Kickl in eine Koalition kommt.

Zur Darstellung eines angeblich drohenden Untergangs dessen, was sie unter identitätsstiftend verstehen, sind alle Bilder recht. Auch Szenen, die den Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris am 15. und 16. April 2019 zeigen. Obwohl dieser auf einen Kurzschluss oder eine brennende Zigarette, weggeworfen von einem unachtsamen Bauarbeiter, jedenfalls aber nicht auf eine bewusst herbeigeführte Katastrophe, geschweige denn einen Terroranschlag zurückzuführen gewesen sein dürfte.

Aber das ist nebensächlich für die Freiheitliche Jugend, sie baute die Sequenz ein in ihr Video, das apokalyptisch anmuten soll, wegen all der Entwicklungen, die eine Stimme aus dem Off schlagwortartig unterstellt: Massenmigration, Zensur, Genderwahn, Kulturverlust, Islamisierung, Sprachverbot, Regenbogenterror, Bevölkerungsaustausch … man schafft es kaum, zu folgen – und das ist wohl beabsichtigt. Weil Apokalypse.

Ein katholisches Abendland mit Blasmusikkapellen und Tracht tragendenden Menschen soll gefährdet sein. Und zwar aufgrund eines linken Zeitgeists, der es auf eine multikulturelle Dystopie hinauslaufen lasse, so die Botschaft. Dafür stehen sollen offenbar bekannte Journalisten, die klar erkennbar eingeblendet werden – gemeint als Aufruf, gegen diese vorzugehen?

Es folgt die Message, dass es auf den Willen zur Tat ankomme, dass man aktiv sei und für den Erhalt einer Identität kämpfe. Was wiederum immer wieder durch Bilder von Jüngeren und Älteren – wie den nö. Landeshauptmann-Stellvertreter Udo Landbauer – verdeutlicht werden soll, die durch Wälder marschieren oder Fackeln tragen.

All das ist nicht belanglos, nur weil es lediglich von einer Freiheitlichen Jugend kommt, die sonst keine wahrnehmbare Rolle spielt. Es steht dafür, dass die FPÖ längst mehr ist als Herbert Kickl. Dass zum Beispiel also eine Regierung mit ihr, aber ohne ihn, schon keinen Unterschied mehr machen würde. Durch ihn hat sie Identitäres tief eindringen lassen in ihre Reihen; für ihn sind die Identitären ja nur eine rechte NGO.

Hier zeigt sich, wie entscheidend vorgenommene oder unterlassene Grenzziehungen durch einen Parteivorsitzenden sind: Wenn Funktionäre den Eindruck haben, dass man zum Beispiel mit dem Begriff Bevölkerungsaustausch arbeiten darf, also der verschwörerischen Unterstellung, dass gewisse Kräfte gezielt Migration fördern, um etwas zu beseitigen; wenn diese Funktionäre darüber hinaus schlussfolgern, dass man Remigration, also Massenrückführungen, das Wort reden kann, dann tun sie das mit allem Eifer und testen gerne auch aus, was darüber hinaus noch geht. Insofern sollte man sich noch auf sehr viel gefasst machen.

Kickl zeigt keinerlei Interesse, irgendjemanden zurückzurufen. Im Gegenteil: Im ORF-Sommergespräch hat er gezeigt, dass er – im Unterschied zu seinen Vorgängern, die das zwischendurch getan haben – darauf pfeift, sich staatstragend zu geben, um sich so für das Kanzleramt zu empfehlen. Der Mann kennt nichts. Ihm ist alles egal, was Empörung und Kritik auslöst, sofern es von Nicht-Rechten kommt. Er ist sogar froh darüber, glaubt er doch, es in seine Erzählung einbauen zu können, von „Eliten“ oder einem „Establishment“ abgelehnt zu werden.

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