ANALYSE. Der ÖVP-Chef schließt eine Zusammenarbeit mit Klickl aus, geht diesen aber weniger hart an als Babler. Es fügt sich, läuft jedoch auf eine schwierige Nummer hinaus.
In der ORF-Konfrontation mit Herbert Kickl (FPÖ) hielt ÖVP-Obmann Karl Nehammer eine staatstragende Rolle durch. Ganz anders als eineinhalb Wochen davor in der Auseinandersetzung mit SPÖ-Chef Andreas Babler. Dieser hatte ihm „Abgehobenheit“ unterstellt, er ortete „30er-Jahre-Rhetorik“, ja einen sozialdemokratischen Zug hin zu „Plattenbauten“, also Ostblock.
Die beiden Rollen sind unterschiedlich, jedoch logisch: Wie bei maßgeblichen Teilen der Sozialdemokratie das Selbstverständnis vor allem auch auf Abgrenzung von der FPÖ beruht, ist es in seinem bzw. im klassisch türkisen Fall eine Abgrenzung von der SPÖ. „Sozialisten“ ist unter Sebastian Kurz wieder zu einem größeren Kampfbegriff geworden. Mit Andreas Babler, einem bekennenden Linken an der Spitze der SPÖ, hat sich das verstärkt. Dessen Forderungen, von Erbschaftssteuer bis Arbeitszeitverkürzung, gehören da zum Schlimmsten, was man sich überhaupt vorstellen kann.
Umgekehrt gibt es zwar auch erhebliche Differenzen mit Freiheitlichen (Coronapolitik, Skyshield), aber mehr Verbindendes. Vor allem nämlich Zielgruppen, die sich überschneiden: In Bezug auf Gender-Verbot, „Klimakleber“, Verbrennungsmotoren und Asyl wird daher Identisches geliefert. Oder in Bezug auf Bemühungen, Korruption nicht zu bekämpfen.
Zuletzt verstärkt haben sich zudem die Gemeinsamkeiten in der Wirtschafts- und Budgetpolitik. Kickl mag hier bei Nehammer abgeschrieben haben, im Hinblick auf das Ergebnis ist es jedoch müßig, darüber zu spekulieren: Es haben zwei Parteien weitgehend gleiche Vorstellungen.
Das lässt immer wieder Zweifel daran aufkommen, dass Karl Nehammer bei einer Absage an eine Regierungszusammenarbeit mit Kickl bleiben wird nach der Wahl: Mit diesem teilt er letzten Endes ja doch viel und mit Babler kann er gar nicht. Abgesehen davon wird seine Volkspartei am kommenden Sonntag um gut und gerne zehn Prozentpunkte abstürzen und dann nicht unbedingt in einer Position sein, in der sie FPÖ oder SPÖ diktieren kann, wen sie für eine allfällige Koalition zu nominiere hätten.
Was nach der Wahl ist, ist im Moment jedoch egal für Nehammer. Jetzt geht es darum, sich durch Abgrenzung von Babler zu profilieren und einer sehr ähnlichen Wählerschaft von ihm und Kickl zu signalisieren, dass er der bessere Kanzler wäre als Kickl. Was eine Gratwanderung ist: Wenn er Kickl so hart angehen würde wie Babler, würde es sehr viele Wähler durcheinanderbringen. Zumal ja die Inhalte so übereinstimmend sind.
Für Karl Nehammer führt das alles zu einem größeren Dilemma. Bei der Wahl kann es aufgehen. Aber dann? Wenn er wirklich nicht koalieren möchte mit Kickl, wird es schwer für ihn, allenfalls konsequent zu bleiben und sich stattdessen auf eine „Große Koalition“ einzulassen. Es würde einem erheblichen Teil der Wählerschaft, die sich die ÖVP seit Kurz gebildet hat und die jetzt in diesem Sinne auch von ihm bei Laune gehalten wird, gegen den Strich gehen.