Nehammer baut schlecht vor

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ANALYSE. ÖVP-Finanzen: Als ehemaliger Generalsekretär kann sich der Kanzler nicht auf einen Bundesgeschäftsführer hinausreden.

Die ÖVP hat ein Problem. Genauer: Besonders auch für ihren Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer, ist der Umgang des Rechnungshofes mit ihrem Rechenschaftsbericht 2019 brisant. Nehammer war vor drei Jahren Generalsekretär der damals noch „neuen“ Volkspartei und der Rechnungshof bezweifelt nun, dass sie im Nationalratswahlkampf die gesetzliche Obergrenze für Kampagnen eingehalten hat. Im ZIB2-Interview überraschte Nehammer nun insofern, als er sich einerseits zwar gelassen gab, andererseits aber vorbaute: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass mein (damaliger) Bundesgeschäftsführer Axel Melchior, der für den kaufmännischen Bereich zuständig war, hier nicht redlich und sauber gearbeitet hat.“ Das kann auch so verstanden werden, dass Melchior die Verantwortung tragen soll; vor allem, wenn die Sache nicht gut ausgeht.

Eine solche Verantwortlichkeit entspricht jedoch so wenig der „politischen Lebenswirklichkeit“, wie es nach Einschätzung des Rechnungshofes die Darstellung der Partei tut, 2019 für den EU-Wahlkampf mehr ausgegeben zu haben als für den Nationalratswahlkampf: Erstens gibt es eine Vorgeschichte, die misstrauisch machen darf; zweitens geht es hier um zu viel, als dass ein Bundesgeschäftsführer vollkommen eigenmächtig agiert haben könnte; und drittens genügt ein Blick in das ÖVP-Statut, um zu erkennen, wer zuständig ist.

Die politische Karriere von Sebastian Kurz beruhte nicht nur auf Talent, sondern auch auf sehr viel Geld. Allein im Jahr 2017 nahm die ÖVP Kredite in Höhe von insgesamt 15 Millionen Euro auf. Für den Nationalratswahlkampf in jenem Jahr gab die Partei 13 Millionen Euro aus. 85 Prozent mehr als gesetzlich erlaubt. Dafür musste sie dann auch 800.000 Euro Strafe zahlen. Zweieinhalb Wochen vor dem Urnengang erklärte die damalige Generalsekretärin Elisabeth Köstinger dies: „Wir haben klar gesagt, dass wir planen, die Wahlkampfkosten-Obergrenze einzuhalten.“

Für den Wahlkampf 2019 ist auf Basis eines OGH-Urteils zugunsten der Wiener Stadtzeitung „Falter“ die Behauptung zulässig, dass die Partei geplant hat, die Obergrenze abermals zu überschreiten. Laut „Falter“ hatte sie dies im Budget stehen. Wie viel sie dann aufgewendet hat, ist offen. Sie selbst berichtet von 5,6 Millionen Euro, der Rechnungshof bezweifelt dies aber eben und wird ihr daher einen Wirtschaftsprüfer ins Haus schicken, um es zu klären.

Und jetzt zum Generalsekretär: Ein solcher muss wissen, was in so wesentlichen Fragen wirklich läuft. Laut Organisationsstatut ist es sein Job, den Obmann bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Umgekehrt hat er seine „gesamte Tätigkeit im Einvernehmen mit dem Bundesparteiobmann“ auszuüben. Ein Bundesgeschäftsführer kann ihm zur Seite gestellt werden. Er aber bleibt in zentraler Verantwortung.

Zum Ausdruck wird dies im Statut etwa durch diese Bestimmung gebracht, in der es um Aufgaben und Pflichten des Obmannes bzw. die Regelung finanzieller Angelegenheiten der Partei geht: „Er (der Obmann; Anm.) unterzeichnet alle Schriftstücke, denen die Beschlussfassung eines Bundesparteiorganes unmittelbar zugrunde liegt. Der (die) Generalsekretär(e) vollziehen die Gegenzeichnung. Schriftstücke, die sich auf die Finanzierung der Partei oder das Parteivermögen beziehen, bedürfen zusätzlich der Gegenzeichnung des Bundesfinanzreferenten. Der Bundesparteiobmann kann den (die) Generalsekretär(e) und den Bundesfinanzreferenten ermächtigen, Schriftstücke auch allein zu unterzeichnen.“ Vom Bundesgeschäftsführer ist hier keine Rede. Ihm kommt demnach eher nur eine ausführende Funktion zu.

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