Nachrufe auf die FPÖ sind verfrüht

ANALYSE. Die Freiheitlichen haben in der Regierungsverantwortung nicht verloren, sondern eher gewonnen. Kritikern sollte das zu denken geben.

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ANALYSE. Die Freiheitlichen haben in der Regierungsverantwortung nicht verloren, sondern eher gewonnen. Kritikern sollte das zu denken geben.

Kaum taucht das Ergebnis einer Umfrage auf, das die Freiheitlichen unter ihrem Nationalratswahlergebnis von 26 Prozent sieht, geht‘s wieder los; die Suche nach Erklärungen dafür nämlich, dass es jetzt runter gehe mit ihnen, wobei diese Erklärungen von der Arbeitszeitflexibilisierung bis zur Mindestsicherungsreform reichen, die ja auch ihre Anhänger tangieren könnten. Allerdings täuscht das darüber hinweg, dass Heinz-Christian Strache und Co. mit ihrer Performance sehr, sehr zufrieden sein können nach einem Jahr Regierungsbeteiligung: Sie haben nicht verloren, sondern eher sogar gewonnen. Wer hätte das erwartet?

FPÖ-Spitzenpolitiker polarisieren mehr denn je. Das ist gut für sie.

Zunächst noch einmal zu den Umfragewerten: „Heute“ mag zuletzt von 22 Prozent berichtet haben, die Ergebnisse, die neuwal.com auflistet, liegen jedoch durchwegs zwischen 24 und 26 Prozent. Das ist das eine. Das andere sind die Persönlichkeitswerte: FPÖ-Spitzenpolitiker polarisieren mehr denn je. Das ist gut für sie. Sie haben zwar mehr Gegner, aber auch mehr Anhänger. Sie stoßen auf mehr Ablehnung, aber auch mehr Sympathie. Beispiel Vertrauenswerte, die OGM regelmäßig veröffentlicht: Für Strache und Verkehrsminister Norbert Hofer werden sie schon länger erhoben. Gegenüber Herbst 2017 ist nicht nur das Misstrauen gestiegen, das ihnen entgegengebracht wird (von 45 auf 50 bzw. 47 auf 52 Prozent), sondern auch das Vertrauen. Hofer legte hier von 41 auf 44, Strache von 36 auf 42 Prozent zu.

Das sollte Mitbewerbern, Kritikern, Beobachtern und wem auch immer zu denken geben. Vielleicht würde es den Blick schärfen. These: Es gibt einen größeren Teil in der Bevölkerung, der Flüchtlingen nicht einmal Mindestrechte zugestehen will. Also begrüßt er die Vorgangsweise, die der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) etwa bei der Unterbringung von Jugendlichen hinter Stacheldraht praktizierte. Grenzkontrollen und Kopftuchverbote kann es in einer solchen Grundstimmung ohnehin nicht genug geben.

Die Demokratiekrise kann den Freiheitlichen nur recht sein; sie profitieren davon.

Außerdem ist das politische System in Österreich – vorsichtig ausgedrückt – über die Jahre in Misskredit geraten. Siehe SORA-Demokratiebefund: Dem Parlament vertrauen gerade einmal zehn Prozent sehr und 38 Prozent gar nicht. Das ist in Summe eine Minderheit von 48 Prozent. Bei der Regierung sind es alles in allem überhaupt nur 43 Prozent, aber das Parlament verkörpert viel mehr noch Demokratie: Volksvertretung, Debatte, Meinungsbildung, Kontrolle etc. Wenn dieser Ort für so viele also derart verkommen ist, dass sie ihm nicht mehr vertrauen, dann muss man von einer Demokratiekrise reden. Vor allem aber kann ein solcher Zustand einer Anti-Systempartei, die an Dingen wie Meinungsbildung und Debatte nicht weiter interessiert ist, nur recht sein; sie kann davon ganz offensichtlich sogar profitieren.

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