Mitten in der Nachspielzeit

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ANALYSE. Mit der Beamtenregierung wird nicht das (vorübergehende) Ende des Politischen eingeläutet. Das ist schon viel früher geschehen.

Die Zusammensetzung der Beamtenregierung zeigt, dass es in Österreich noch immer drei bestimmende Parteien gibt. Die Mitglieder des Kabinetts Bierlein lassen sich ÖVP, SPÖ und FPÖ zuordnen. So viel Tradition muss offenbar sein und liegt natürlich auch in der Natur der Sache: Auch diese Regierung ist auf eine parlamentarische Mehrheit angewiesen; also hat Bierlein von vornherein Rücksicht auf die Begehrlichkeiten von Sebastian Kurz (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) nehmen müssen.

Dennoch hat sich die Politik durch eine Beamtenregierung ein Stück weit abgemeldet. Wobei eine gewisse Erleichterung nach den Vorkommnissen der vergangenen Wochen nachvollziehbar ist. Andererseits: Wo war da noch das Politische?

Politik würde einen Gestaltungswillen voraussetzen, der schlüssigen Überzeugungen entspricht und gesellschaftliche Ziele sicherstellen möchte (Wohlstand, Bildung etc.). Vor allem bei den beiden größten Parteien lässt sich jedoch sehr ernüchternd feststellen, wie es darum bestellt ist: Die SPÖ kann, die ÖVP will es weniger denn je.

Streng genommen könnte man die SPÖ als letzte Partei bezeichnen, die es in Österreich gibt. Sie vereint Arbeitnehmer- und Ländervertreter. Ihnen geht es zum einen alles in allem jedoch darum, möglichst nichts zu verändern und zum anderen sehr unterschiedliche Interessenslagen zu wahren. Pamela Rendi-Wagner kann da nur scheitern. Wie schon ihr Vorgänger Christian Kern. Mit seinem Plan A hat er Arbeitnehmervertreter gegen sich aufgebracht, mit seiner Öffnung gegenüber urbanen Wählern den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.

Bei der ÖVP ist das nicht ganz anders. Sie ist im Grunde genommen noch immer extrem strukturkonservativ und beachtet zum Beispiel nach wie vor Wirtschafts-, Bauern- und Beamteninteressen. Darüber hinaus aber hat die ÖVP einen Schritt getan, der sehr gut das Ende des Politischen zum Ausdruck bringt, zumal er ihr bisher auch zum Wahlerfolg verholfen hat: Sebastian Kurz hat übernommen. Und zwar allein. Und im Übrigen unter besonderer Berücksichtigung von allgemeinen Stimmungslagen.

Würde eine Mehrheit nicht davon ausgehen, dass Fremde das Sozialsystem wirklich spürbar belasten, sondern dass die Altersversorgung der entscheidende Punkt ist, Kurz wäre der Erste, der nicht bei Zuwanderern sparen, sondern eine Pensionsreform durchführen würde. Was Stimmen bringt, zählt. Vor der Flüchtlingskrise hat er tatsächlich mehr Willkommenskultur gefordert, seither setzt er Maßnahmen, die besonders Asylwerbern signalisieren sollen, dass es besser ist, erst gar nicht nach Österreich zu kommen.

Mehr als all seine Mitbewerber hat Kurz einen extrem pragmatischen Zugang zu seinem Job. Die Wähler bilden demnach einen Markt. Und wer sich auf diesem Markt behaupten will, der muss liefern, was die Wähler wollen. Das ist so einfach, wie es für sich schlüssig ist. Politisch im eingangs erwähnten Sinne ist es jedoch nicht.

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