Mit Kickl in die Krise

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ANALYSE. Der FPÖ geht’s nicht gut. Zu verdanken hat sie das ihrem Chef. In der Coronakrise umwirbt er eine kleiner werdende Minderheit und stößt mehr und mehr Menschen ab.

Unter Norbert Hofer ist es den Freiheitlichen eindeutig besser gegangen. Natürlich, vor einem Jahr lagen sie in Umfragen auch kaum über ihrem letzten Nationalratswahlergebnis (16,2 Prozent), damals aber waren die Türkisen von Sebastian Kurz noch in Form; verstanden es, Mitte-Rechts-Wahler an sich zu binden, war für Blaue nichts zu holen.

Die 17 Prozent, die den Freiheitlichen heute im „ATV-Österreich-Trend“ ausgewiesen werden, einer Umfrage, die Branchenstandards genügt, sind jedoch eine Katastrophe: Zwar beginnen sich Türkise unter Karl Nehammer wieder zu erholen, liegen mit 27 Prozent aber noch immer um zehn Prozentpunkte unter ihrem Wahlergebnis von 2019. Zur Erinnerung: Damals hatten sie der FPÖ eine Viertelmillion Wählerinnen und Wähler abgenommen.

Von der Papierform her müsste nun einige dieser Menschen zur FPÖ zurückgekehrt sein. Vorerst zwar nur für Momentaufnahmen (Umfragen), aber doch. Die Partei müsste deutlich über 20 Prozent liegen. Tatsächlich zurückgekehrt sind nun jedoch kaum welche. Ein paar werden – wie in Oberösterreich – zur MFG gewandert sein, nicht aber zur FPÖ. Sie bleibt bei sinkender Tendenz auf niedrigem Niveau.

These: Herbert Kickl hat der Partei schweren Schaden zugefügt, er ist über sich selbst gestolpert. Seine Radikalität führte bereits unabhängig von Corona dazu, dass alle Mitbewerber so glaubwürdig erklären, ihn persönlich nicht in einer Regierung zu akzeptieren, dass das auch ein Signal an potenzielle Anhänger ist: Mit Kickl gibt’s keine Macht.

Vor allem aber ist der 53-Jährige mit seiner Coronapolitik zu weit gegangen. Wie ihm das passieren konnte? Zum einen ist er wohl – wie schon mehrere seiner Vorgänger – davon ausgegangen, dass auch das Bedienen einer Minderheit zu einer relativen Mehrheit führen kann. Zum anderen hat er sich in Panik, dass ihm dabei die MFG-Liste gefährlich werden könnte, zu maximaler Kopflosigkeit verführen lassen. Zur Behauptung etwa, dass Österreich mit der Impfpflicht eine Diktatur sei; oder zu Auftritten auf Kundgebungen, an denen auch Rechtsextreme teilnehmen. Damit schreckt man zum Glück noch immer sehr viele Menschen ab.

Heute erhält Herbert Kickl schlechtere Noten als Sebastian Kurz. Das muss man sich einmal vorstellen. Kurz erreicht im „ATV-Österreich-Trend“ nach alldem, was er sich politisch zu Schulden kommen lassen hat, was er in der Pandemie verbockt hat, nach seinem Rücktritt und nach dem zunehmend sichtbaren Versuch von Karl Nehammer, sich von Türkis zu distanzieren, einen Durchschnittswert von 3,7. Kickl bekommt mit 4,2 die mit Abstand schlechteste Note, fast zwei Drittel der Befragten geben ihm überhaupt einen glatten Fünfer.

Das Problem des FPÖ-Chefs ist, dass sein Coronakurs auch in den eigenen Reihen zunehmend auf Kritik stößt. Dass vom Boden- bis zum Neusiedlersee Funktionärinnen und Funktionäre nicht auf ein Pferde-Entwurmungsmittel gesetzt haben, sondern sich lieber impfen ließen. Und dass die Minderheit in der gesamten Gesellschaft, die sich aus Überzeugung definitiv nicht impfen lassen möchte, relativ klein ist.

Sie ist laut und sichtbar, aber kleiner als man vielleicht glauben würde: Drei Viertel der Wahlberechtigten sind geimpft. Die Drittimpfung entwickelt sich gar zu einer Art Volkssport; diesbezüglich sind die Österreicherinnen und Österreicher derzeit „Europameister“. Von denen, die noch nicht geimpft sind, geben laut Uni-Wien-Corona-Panel wiederum 41 Prozent an, auf die Zulassung anderer Impfstoffe zu warten. Viele sind unschlüssig, nur 30 Prozent warten auch nicht auf eine Alternative. Sie wollen sich schlicht nicht impfen lassen. Wobei die Motive ebenso unterschiedlich sein mögen wie es die politische Orientierung ist. Sprich: Selbst für einen gemäßigten Herbert Kickl wäre das Potenzial hier überschaubar gewesen.

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