Ludwigs Job

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ANALYSE. Bei der Wiener Gemeinderatswahl hat die SPÖ nicht viel zu gewinnen und dann ist es vor allem auch Aufgabe des Bürgermeisters, sich gegenüber Doskozil zu behaupten und sich der Sozialdemokratie insgesamt zu widmen.

Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig setzt darauf, dass sich gerade in der Bundeshauptstadt eine Art Gegenbewegung zu Blau-Schwarz mit einem Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) entwickeln wird. Und dass er dieses Momentum durch eine Vorverlegung der Gemeinderatswahl auf April nützen kann. Ganz unbegründet ist es nicht. Wien ist, wie jede größere Stadt, sozusagen anders als Österreich.

Hier hat die SPÖ bei der Nationalratswahl im vergangenen September zugelegt, ist noch immer eine rot-pink-grüne Mehrheit zustande gekommen, hat sich die FPÖ mit 20,7 Prozent begnügen müssen (bundesweit erreichte sie 28,8 Prozent).

Aber kann Ludwig groß gewinnen? Schwer. Von Neos und Grünen werden alles in allem wohl kaum Stimmen zur SPÖ wandern. Neos haben sich als Vizebürgermeister-Partei etablieren können und werden ausgehend von 7,5 Prozent vielleicht sogar zulegen. Bei den Grünen wiederum hat sich im Burgenland gerade gezeigt, dass auch ihnen Blau-Schwarz nützen könnte; dass sie da wieder gefragter werden bei Leuten, die grundsätzlich offen sind für sie.

41,6 Prozent hat die SPÖ bei der Gemeinderatswahl vor fünf Jahren erreicht. Über 40 Prozent zu bleiben, wird schwierig. Das ist das eine, was die Aussichten für Ludwig trübt. Das andere: Die FPÖ ist 2020 um fast 24 Prozentpunkte auf 7,1 Prozent abgestürzt. Viele ihrer Ex-Wähler sind zu Hause geblieben, andere zur damals türkisen ÖVP gewechselt, die auf Bundesebene noch von Sebastian Kurz geführt wurde. Die meisten dürften nun zurückkehren. Was das bedeuteten könnte? 2015 sind die Freiheitlichen in Wien auf 30,8 Prozent gekommen. Das liefert eine Ahnung. Obwohl sie heute nur von Dominik Nepp geführt werden, könnte es im ganzen Herbert-Kickl-Hype wieder in diese Richtung gehen.

Das dritte, was kritisch ist für Ludwig: Nach der kommenden Gemeinderatswahl wird Hans Peter Doskozil sehr wahrscheinlich erst recht als der mit Abstand erfolgreichste Sozialdemokrat der Gegenwart gelten. 46,4 Prozent hat die SPÖ im Burgenland gerade geholt unter seiner Führung.

Das ist dazu angetan, die Krise der Partei zu verstärken: Doskozil erklärt zwar, dass das Kapitel Bundespolitik abgeschlossen sei für ihn, es ist jedoch evident, dass er da noch ein paar Rechnungen offen hat. Unter anderem mit Andreas Babler und den Wienern. Gewissermaßen begleichen könnte er diese Rechnungen zunächst einmal dadurch, dass er eine Koalition mit den Grünen eingeht. Er, der in den eigenen Reihen als Rechter gilt!

Es ist schier unvorstellbar, dass Doskozil groß in die Bundespolitik einsteigen könnte, muss er sich doch aus gesundheitlichen Gründen immer wieder für ein paar Wochen zurückziehen. Er wird aber eben gerne damit spielen, dass er nicht nur nach eigenem Empfinden der beste Mann wäre für die Sozialdemokratie, sondern dass das auch die Wahlergebnisse zeigen würden. Wofür zumindest Leute in der SPÖ empfänglich sein könnten, die Babler kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Vor allem, wenn die Partei jetzt unter 20 Prozent bleiben sollte in bundesweiten Umfragen.

Das führt zu Ludwig zurück. Beim Vergleich von Prozentwerten sollte man nicht übersehen, dass die SPÖ Wien auch in Zukunft ungleich mehr Wählerstimmen hinter sich haben wird als die burgenländische SPÖ. Womit auch eine Verantwortung einhergeht, der sie in den Jahren seit der Werner Faymann-Ablöse nicht gerecht wird: Es liegt vor allem an ihr, es liegt vor allem an Ludwig, wie die Partei insgesamt aufgestellt ist. Babler ist nicht Vorsitzender geworden, weil er ihr Wunschkandidat war, sondern weil sie Doskozil verhindern wollte. Das wird bis heute immer wieder deutlich. Siehe Doris-Bures-Kritik an Bablers Wahlprogramm oder die gestörte Kommunikation zwischen ihr und ihm bei den letztlich gescheiterten Dreiparteien-Koalitionsverhandlungen.

Man könnte auch sagen: Wichtiger als ein passables Ergebnis der Wiener SPÖ bei der Gemeinderatswahl im April ist für die Sozialdemokratie, dass sich Ludwig um sie kümmert. Sonst kommt sie nicht mehr zur Chance, auf Bundesebene die FPÖ eines Tages vielleicht schlagen und selbst wieder einmal Erste werden zu können.

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