Leichtes Spiel für die ÖVP

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ANALYSE. Mit medialer Hilfe gehen die Erzählungen der Kanzlerpartei zum EU-Wahlergebnis und zu Gewessler voll auf.

FPÖ und ÖVP seien jetzt „Kopf an Kopf“, berichtet die Tageszeitung „Österreich“ in ihrer Ausgabe vom 21. Juni. Untertitel: Beide seien mit 25 bzw. 23 Prozent „in der Schwankungsbreite“. Diese betrage 2,2 Prozent. Der SPÖ werden in der Erhebung, die die „Lazersfeld Gesellschaft“ für die Zeitung erstellt hat, zwar 22 Prozent ausgewiesen. Was bedeutet, dass sie – Stichwort Schwankungsbreite – allemal auch vor der ÖVP liegen könnte. Es passt offenbar aber nicht zur Dramaturgie. Die SPÖ wird jedenfalls weggelassen. Duell ist immer besser als Dreikampf. Also gibt man ein solches Duell aus, auch wenn es laut der eigenen Zahlen ein Dreikampf ist.

Es ist Boulevardlogik, die in diesem Fall ganz nach dem Geschmack der Volkspartei ist: Ihr Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer, hat gerade einen Lauf. Kein Mensch redet über den Verlust von zehn Prozentpunkten bei der Europawahl. Es ist gelungen, durchzusetzen, dass sie eigentlich sehr gut abgeschnitten habe. Dass die FPÖ weniger hoch gewonnen und die SPÖ knapp, aber doch auf Platz drei gelandet ist, hilft ihr dabei. Es wirkt wie ein türkiser Wahlerfolg.

Günstig ist für die ÖVP außerdem, dass sich insbesondere der Boulevard zwar mit allen arrangieren kann, beim Gedanken an einen Kanzler Herbert Kickl aber Nervosität aufkommen muss: Der Mann hält wenig von klassischen Medien, die zu kämpfen haben und zu einem erheblichen Teil von Regierungsinseraten leben, auf die er als Regierungschef Einfluss erhalten könnte. Von Andreas Babler gar nicht zu reden. Er ist für Verlegerinnen wie Eva Dichand aufgrund seiner Vermögenssteuerideen schlicht untragbar.

Karl Nehammer ist aus dieser Sicht zwar kein Strahlemann, mit dem man Auflage machen, aber weniger schlecht leben kann. Das ist umgekehrt auch ein Kalkül der ÖVP mit Blick auf die breite Wählerschaft: Er ist zwar kein Typ wie Sebastian Kurz, aber das geringste Übel. „Oder wollt ihr Kickl? Oder Babler?“

Wie ein Geschenk ist im Nachhinein das, was sie – wieder mit medialer Hilfe – aus der Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zur EU-Renaturierungsverordnung machen konnte. Die Erzählung vom „Verfassungsbruch“ geht durch. In den „Krone“-Newslettern der vergangenen Tage ist zu lesen, dass sie Österreich schade; dass sie eine Negativ-Ministerin, ja die absolute Minusfrau vieler sei.

Der ÖVP ist es längst gelungen, eine Wahlkampfgeschichte zu ihren Gunsten daraus zu machen, die mit der Sache nichts mehr zu tun hat.

Gewessler ist keine Heldin, ihre Zustimmung zur Renaturierungsverordnung ist politisch heikel und rechtlich problematisch.

Politisch heikel, weil gegen den Koalitionspartner. Andererseits: Wie oft hat die ÖVP schon auf die Haltung der Grünen gepfiffen? Warum ist das nur ein Thema, wenn sie es zu einem solchen erklärt? Rechtlich problematisch, weil viele Fragen offen sind. Etwa, ob sie noch an die Haltung der Länder gebunden gewesen wäre oder sich mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hätte abstimmen müssen. Da gibt es Zweifel, das ist zu klären. Aber ist es „Verfassungsbruch“?

In gewisser Weise betreibt die Volkspartei hier eine Kriminalisierung, über die sie sich sonst so empört, wenn sie selbst davon betroffen ist: Sie arbeitet mit Klagen (Amtsmissbrauch) und gibt bereits vor, dass ein Urteil gefällt sei (Verfassungsbruch). Ihr Glück: Es geht durch. Siehe „Krone“.

Kaum jemand kommt zu ihrem Glück auf die Idee, den Spieß umzudrehen: Ist es nicht eine Art Amtsmissbrauch, ja Verfassungsbruch, ebensolchen zu orten, aber auf politische Konsequenzen zu verzichten, die logischerweise folgen müssen? Natürlich: Gewessler dürfte keinen Tag länger Ministerin sein. Darauf müsste die ÖVP bestehen, wenn sie ernst meinen würde, was sie da sagt.

Die Tatsache, dass bald gewählt wird und in einem halben Jahr vielleicht eine andere Regierung steht, dass man jetzt kein Koalitionsende und ein freies Spiel der Kräfte auf parlamentarischer Ebene haben möchte, das die ÖVP als „Chaos“ bezeichnet, ändert nichts daran: Verfassungsbruch ist Verfassungsbruch. Punkt.

Aber in Österreich nimmt man es damit nicht so genau. These: Es ist nicht nur im Interesse der ÖVP, sich über den ganzen Wahlkampf hinweg an Gewessler reiben zu können, sondern auch im Interesse von Boulevardmedien. Sie muss daher bleiben, trotz des angeblichen Verfassungsbruchs. Diese Geschichten bringen Klicks. Das ist Lena Schilling hoch zwei.

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