Kurz’sche Erzählkunst

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ANALYSE. Schon vor Beginn der Regierungsverhandlungen läuft wieder alles wie vom ÖVP-Chef geplant. Alles? Fast alles: Nur die Grünen spielen (noch) nicht mit.

Mag sein, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen Sebastian Kurz (ÖVP) erst heute (7. Oktober) den Regierungsbildungsauftrag erteilt hat. Die Kurz-ÖVP ist jedoch längst am Werk. Sie arbeitet schon fleißig an einer öffentlichen Erzählung, die im Falle des Falles eher nur zu ihren Gunsten ausgehen kann. Gut, dass sie das beherrscht, ist nichts Neues; umso bemerkenswerter ist jedoch das Verhalten politischer Mitbewerber.

„Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“, ist ein demokratiepolitisch höchst fragwürdiger Satz. Doch lassen wir diesen Aspekt einmal beiseite. Die Botschaft, die die ÖVP nach dem Misstrauensvotum gegen das Kabinett von Sebastian Kurz im Mai dieses Jahres vermittelt hat, ist voll aufgegangen: Nicht wenig Volk hat sich bei der Nationalratswahl genötigt gesehen, „jetzt erst recht“ türkis zu wählen.

Und überhaupt: Die ÖVP hat es auch geschafft, den Eindruck zu vermitteln, dass Pamela Rendi-Wagner allein diese Regierung gestürzt habe. Dabei war ja eine Mehrheit der Abgeordneten und darunter auch Freiheitliche und Liste-Pilz-Vertreter daran beteiligt. Im Übrigen hatten sie ihre Gründe. Das eine wie das andere ist jedoch nicht über die Rampe gekommen; das war auch ein Kommunikationsversagen zugunsten der neuen Volkspartei.

Doch kommen wir zur Gegenwart: Sebastian Kurz wird in den nächsten Tagen mit allen Fraktionen Vorgespräche für allfällige Koalitionsverhandlungen führen. Sprich: Er zeigt guten Willen gegenüber allen, grenzt niemanden aus.

Ein Ergebnis ist bekannt, ein weiteres zeichnet sich ab: Schon bald wird Kurz sagen, dass die Sozialdemokraten „leider“ nicht bereit seien, Verantwortung zu übernehmen. Wobei ihm die Sozialdemokraten die Argumente ja schon geliefert haben: Sie müssen sich erst selbst erneuern, laut Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch weiß „man“ im Übrigen nicht, wofür die SPÖ steht.

Nun wird niemand damit rechnen, dass Türkis-Rot eine ernsthafte Option für Kurz ist. Der Punkt ist jedoch der: Von der SPÖ wird nicht einmal der Versuch unternommen, die Message zu durchkreuzen, dass das Nicht-Zustandekommen einer solchen Koalition allein an ihr liege. Eins zu null für Kurz.

Gegenüber der FPÖ ist die neue Volkspartei schon einen Schritt weiter. Gleich nach der Wahl wurde Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger ausgeschickt, um der Partei in einer Presseaussendung zu unterstellen, dass sie sich aus staatspolitischer Verantwortung flüchte. Grund: Die Freiheitlichen sind laut Norbert Hofer auf Opposition eingestellt. Folgt das zwei zu null für Kurz? Möglich.

Hier geht’s jedoch nicht um Tore, sondern darum, schon einen Rahmen für das Ergebnis dieser Regierungsbildung zu konstruieren. Damit es dann bei Bedarf heißen kann: „Kurz ist gar nichts anderes übrig geblieben, als …“ Und wenn es sich um eien Minderheitsregierung handeln und es damit einhergehend bald zu Neuwahlen kommen sollte, ist es umso besser für die ÖVP, wenn sie ungehindert sagen kann, dass nur sie bereit sei, Österreich zu führen; dann kann man sich ausmalen, wie ein Urnengang ausgehen würde.

Im Moment hat die ÖVP nur eine potenzielle Koalitionspartnerin: die Grünen. Und sie geben sich bemerkenswert professionell. Bemerkenswert insofern, als wohl nur sehr, sehr wenige Wähler von ihnen Sebastian Kurz als Bundeskanzler haben wollen. Aber was soll man machen? Vorarlbergs Grünen-Chef Johannes Rauch zitiert im „Standard“ Helmut Schmidt: „Die Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann, ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen.“ Punkt für die Grünen.

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Das könnten extrem spannende Koalitionsverhandlungen werden: Die Grünen sind nicht nur die einzigen Mehrheitsentscheidenden, die es Kurz nicht von vornherein einfach machen. Er selbst hat ebenfalls eine Herausforderung zu bewältigen: Alle Welt weiß, dass er sich für eine solche Konstellation ebenfalls bewegen müsste. Sprich: Hinterher könnte das Verständnis für die Grünen ebenso groß sein, wie das Unverständnis über ihn.

Sollte Türkis-Grün nichts werden, wird’s natürlich wieder sehr unterschiedliche Erzählungen geben. ÖVP-Urgestein Andreas Khol ist zum einen bereits ausgezogen, um sich diese Koalition zu wünschen und zum anderen zu berichten, dass es 2003 an den Grünen gescheitert sei. Was so gesehen laut dem Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi nicht korrekt ist: Für ihn, der damals dabei war, ist Wolfgang Schüssel schuld gewesen, wie er im Ö1-Morgenjournal schilderte.

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