Kurz verliert

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ANALYSE. So groß der Wahlsieg am Sonntag auch ausfallen mag: Die FPÖ-Krise macht ihn wertlos.

Die türkise Wahlparty kann vorbereitet werden: Die ÖVP von Sebastian Kurz wird wohl gewinnen. Zumindest der Abstand zur zweitplatzierten Partei dürfte größer werden. Und dann ist da noch die FPÖ-Krise, die ausgerechnet wenige Tage vor dem Urnengang so weit aufgepoppt ist, dass selbst Norbert Hofer und Herbert Kickl erblasst sind. Das bringt Kurz weitere Stimmen. Wenn die FPÖ auf, sagen wir, 18 Prozent abstürzt und die Hälfte der Wähler zu Hause bleibt, die hinter den acht Prozentpunkten stehen, die sie damit verliert, werden von der anderen Hälfte kaum welche grün, pink oder rot wählen. Die meisten dieser 200.000 Leute wird’s eher zur neuen Volkspartei ziehen.

Natürlich: Es wird auch Wähler geben, die nicht mehr Kurz, sondern zum Beispiel die Grünen oder die Neos unterstützen werden. Ob sie große Verschiebungen bewirken werden, ist jedoch fraglich. Im Zentrum dieser Wahl steht eher, was die enttäuschten FPÖ-Anhänger machen werden. Sie werden eine größere Masse bilden. Doch das ist jetzt ohnehin nebensächlich.

Der Punkt bleibt: Die ÖVP steht davor, noch klarer Nummer eins zu werden als sie es schon bisher ist. In den türkisen Reihen wird der Jubel groß sein. In den Tagen nach der Wahl dürfte er aber noch viel größerer Ernüchterung weichen. Mehr und mehr zeichnet sich ab, dass dieser Triumpf wertlos werden dürfte.

So schön wär’s gewesen: Die ÖVP gewinnt, die FPÖ verliert, wird aber vom smarten Norbert Hofer als gehorsame Juniorpartnerin in die schwarz-blaue Koalition 2.2 geführt. Kurz hätte sich unter diesen Umständen als Kanzler entfalten können, wie es ihm beliebt. Genau das aber wird’s kaum spielen: Nach der Wahl sind die Freiheitlichen zunächst einmal damit beschäftigt, die Probleme mit Heinz-Christian Strache zu lösen. Mag sein, dass sie ihn ausschließen werden. Fragen nach internen Geldflüssen werden jedoch bleiben. Irgendjemand hat Spesenersätze ja auch gewährt. Und so weiter und so fort.

Und überhaupt: Hofer wird kaum als gestärkter Parteichef aus dieser Nationalratswahl hervorgehen. Umso schwerer wird es für ihn, interne Flügelkämpfe zu beenden oder überhaupt erst gar nicht aufkommen zu lassen, die vorprogrammiert sind. Vor allem in Wien, wo Strache ein Machtvakuum hinterlässt, das seinesgleichen sucht.

Dazu kommt, dass Strache ganz offensichtlich nicht die Absicht hat, sich zurückzuziehen. Er wird zumindest vorübergehend ein Störfaktor bleiben; mit einer eigenen Liste bei der Wiener Gemeinderatswahl oder sonst irgendwie. Und dann wären da noch die vielen „Einzelfälle“, die es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiterhin geben wird, weil sie quasi FPÖ-systembedingt sind.

Das Problem von Kurz ist nun dieses: Die „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ mit Grenzkontrollen, der Kürzung von Leistungen für Nicht-Österreicher und dem „strengen Vater“-Kurs darüber hinaus, kann er nur mit der FPÖ fortsetzen. Oder allein. Beides kommt unter den gegebenen Umständen jedoch zunehmend einem Himmelfahrtskommando gleich.

Ja, es läuft auf eine Lose-Lose-Situation nach der Wahl hinaus. Die unmöglichen Alternativen für Kurz lauten Türkis-Rot, Türkis-Grün oder allenfalls Türkis-Grün-Pink. Bedeuten würde das entweder eine Wiederaufnahme einer Stillstandspolitik; oder eine CO2-Steuer plus unpopulistische Fremdenpolitik; oder Kammer- plus echte Bildungs- plus Pensionsreformen. Lauter Dinge also, die Sebastian Kurz bisher eher nur als Teile eines fürchterlichen Alptraums dargestellt hat.

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