Kurz-Strache-Geschäftsmodell

ANALYSE. Die Freiheitlichen bereiten Stimmungen auf, der Kanzler räumt ab. Die internationale Wahrnehmung ist katastrophal, aber egal.

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ANALYSE. Die Freiheitlichen bereiten Stimmungen auf, der Kanzler räumt ab. Die internationale Wahrnehmung ist katastrophal, aber egal.

Auch darüber kann man sich wundern: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat keinen Grund gesehen, sich in einer unmissverständlichen Art und Weise zur Unterbringung jugendlicher Flüchtlinge hinter Stacheldraht im niederösterreichischen Drasenhofen zu äußern. Zufälligerweise zeitglich hatte er im Übrigen nichts dagegen auszusetzen, dass sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) wieder einmal eine dieser Unverschämtheiten gegen George Soros absonderte; dieser bezeichnete dessen Central European University (CEU), die demnächst nach Wien übersiedeln wird, als „sogenannte Wanderuniversität“. Willkommenskultur klingt anders. Straches Klubobmann Johann Gudenus hatte ja schon im Frühjahr von „stichhaltigen Gerüchten“ berichtet, wonach Soros daran beteiligt gewesen sei, „Migrationsströme nach Europa zu unterstützen“. Sie wissen schon.

Kurz spielt bei alledem eine Doppelrolle: Zuletzt hat er Soros höchstpersönlich empfangen; das zeugt von einem vernünftigen Umgang. Unabhängig davon lässt er seinen Koalitionspartner jedoch so widersprüchlich dazu agitieren.

Die internationale Beurteilung seiner Koalition fällt zunehmend katastrophal aus.

Warum tut er das? Die internationale Beurteilung seiner Koalition fällt zunehmend katastrophal aus. Laut „Time“-Magazin bringt er „die Rechtsextremen in den Mainstream“. „Politico“ titelt, illustriert mit seinem Konterfei, Europa ziehe sich unter rechtem Druck vom UN-Migrationspakt zurück. Der „Economist“ bebildert einen Text zur „Wiederbelebung des Regionalismus“ mit einer Grafik, auf der ein Dorf mit rot-weiß-roter Fahne hinter hohen Mauern zu sehen ist. Das „Handelsblatt“ liefert Hinweise, die „belegen“ würden, „wie stark Österreich nach rechts gedriftet ist“. Und zwar so weit, dass der ehemaligen Kurz-Anhänger, Angela-Merkel-Nachfolgekandidat Jens Spahn auf Distanz gegangen sei: „Österreich ist Mahnung, nicht Vorbild“, heißt es von diesem.

Die Freiheitlichen bereiten auf, Kurz räumt ab, die internationale Wahrnehmung ist egal.

Warum kann der Kanzler all das nur zulassen? Die freiheitlichen Grenzüberschreitungen können ihm sogar sehr recht sind. Sie sind Teil seines innenpolitischen Erfolgs. Ganz besonders, wenn es um Asyl- und Migration geht. Da haben sie immer schon extreme Positionen vertreten, die von einem wachsenden Teil der Bevölkerung geteilt werden. Vor etwa drei Jahren hörte Kurz auf, dagegen zu arbeiten und zum Beispiel davon zu reden, dass wir zu wenig Willkommenskultur haben (Aussage vom November 2014). Stattdessen griff er die Stimmung auf, die die Freiheitlichen geschaffen haben, um alles in allem etwas gemäßigter und damit auch vertrauenserweckender einen triumphalen Erfolg bei der Nationalratswahl 2017 zu feiern.

Das nennt man Arbeitsteilung: Die Freiheitlichen bereiten auf, Kurz räumt ab. Wobei sein Glück eben ist, dass sie immer wieder zu radikal agieren. Damit verschrecken sie nicht wenige, die er dann übernehmen kann. Das ist eine Art Geschäftsmodell, das allein auf Urnengänge ausgerichtet ist. Und bei dem die internationale Wahrnehmung denn auch egal ist.

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