Kurz in der Sackgasse

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Kommentar von Gerhard Marschall. Indem sich der türkise Bundeskanzler unverdrossen den Rechten anbiedert, löst er Probleme nicht, sondern verschärft sie.

Sebastian Kurz hat dem Bundespräsidenten eine klare Absage erteilt: Es sollen keine Mütter und Kinder aus den heillos überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland vorübergehend nach Österreich geholt werden. Ganz anders der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer, der gewiss nicht unter „Gutmenschen“-Verdacht steht. Er spricht sich angesichts der dramatischen Entwicklung für eine solche Hilfsaktion aus. Auch einige Städte in Deutschland wie in Österreich sind dazu durchaus bereit.

Kurz gibt jedoch den Hardliner. Er traut den Österreicherinnen und Österreichern offenbar nicht zu, dass sie in Ausnahmesituationen rational denken und hilfsbereit sein können. „Kanzler Gnadenlos“ beschreitet konsequent den von ihm eingeschlagenen Weg. Die Strategie der Härte mag im Moment mehrheitsfähig sein und kurzfristig für Wahlsiege taugen, führt aber in eine Sackgasse. Zunehmend wird im politischen Diskurs und in weiterer Folge in der Gesellschaft das Bewusstsein für Humanität, Solidarität, Grund- und Menschenrechte unterminiert.

Kurz hat mit seinem „Mitte-rechts“-Kurs viele FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Doch er führt sie nicht zurück in die gesellschaftliche Mitte, sondern kommt ihnen immer weiter entgegen. Je mehr er nach rechts rückt, umso mehr fühlen sich die ganz Rechten bestätigt. Und umso mehr verschärfen sie ihre Rhetorik. Müssen sie auch, um auf sich aufmerksam zu machen. So ist es nur logisch, dass FPÖ-Scharfmacher Herbert Kickl jetzt fordert, Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt an der österreichischen Grenze abzuwehren. Vom Populismus ist nur ein kleiner Schritt zum Extremismus.

In Deutschland hat bei den Christlich-Konservativen ein Umdenken eingesetzt. Nach der mehr als peinlichen Wahl eines Ministerpräsidenten in Thüringen mit AfD-Unterstützung, vor allem aber nach einer Serie rechtsextremistischer Mordanschläge, zuletzt im hessischen Hanau, setzt sich die Erkenntnis durch, dass in der Anbiederung an die Rechten, das Kopieren ihrer Argumente und ihrer Programmatik, nicht die Lösung liegt.

Vielmehr hat Seehofer zuletzt den Rechtsextremismus als die momentan größte Gefahr für die Demokratie benannt. Unmissverständlich, ohne Wenn und Aber. Kurz hingegen sagt bei jeder Gelegenheit, dass Extremismus, egal woher, ob von rechts oder links, abzulehnen sei. Das ist eine der vielen Banalitäten, die er – zugegeben erfolgreich – als politische Botschaft verkauft. Etwa auch, wenn er in der Migrationsfrage suggeriert, Österreich könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen und alle Probleme dieser Welt lösen.

Im allzu Banalen steckt keine Weisheit. Indem Kurz einen zurzeit – zum Glück – nicht vorhandenen Linksextremismus herbeiredet, relativiert er das Problem des in Europa grassierenden Rechtsextremismus. Im Gegensatz zu Seehofer spricht er das akute Problem nicht an, sondern weicht ihm aus. Kurz kann oder will nicht anders. Um einen Irrtum zuzugeben, bräuchte es Größe. Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat soeben erklärt, der Staat müsse sich eingestehen, „die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben“. Deutschland ist nicht Österreich, doch es geht um Grundsätzliches.

Das „Mitte-rechts“-Projekt von Kurz muss scheitern, weil es auf die falschen Methoden setzt, zur Verrohung von Sprache und Sitten in Politik und Gesellschaft führt, Probleme nicht löst, sondern verschärft. Von einem Regierungschef darf und muss erwartet werden, dass er zu Differenzierung fähig ist, in der Migrationsfrage konstruktiv agiert und das Thema nicht ständig zur Stimmungsmache in eigener Sache missbraucht.

Es wird an der ÖVP liegen, sofern es sie als eine an christlichen Werten orientierte Partei noch gibt und sofern sie zur Selbstreflexion noch fähig ist, eine Kursänderung vorzunehmen. Druck muss vom Koalitionspartner kommen, sofern die Grünen vor lauter Freude am  Mitregieren ihre Prinzipien nicht völlig aufgeben.

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