Kulturkampf

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ANALYSE. ÖVP und FPÖ forcieren das Weltbild des „strengen Vaters“ in fast allen Lebensbereichen. Damit wird auch mit allem Schluss gemacht, was mit den „68ern“ und ihren Kindern in Verbindung gebracht werden könnte.

Man könnte es auch als symbolträchtigen Schlusspunkt der schwarz-blauen Zusammenarbeit vor der Nationalratswahl betrachten: ÖVP und FPÖ segnen im Hohen Haus ein Gewaltschutzpaket ab, dass ihre Politik ziemlich gut zusammenfasst. Strafen sollen verschärft werden. Und zwar um jeden Preis und gegen alle Vorbehalte, die Vertreterinnen und Vertreter der Richterschaft, der Rechtsanwaltskammer, der diversen Beratungsstellen und vieler anderer Einrichtungen vorgetragen haben (demnach droht nun nicht weniger, sondern mehr Gewalt). Es musste sein. Passt es doch zum Weltbild, das man im Sinne des amerikanischen Sprachforschers George Lakoff als das des „strengen Vaters“ zusammenfassen könnte und das seiner Ansicht nach zu einem bestimmenden Teil der politischen Auseinandersetzung geworden ist: Der strenge Vater wird laut, wenn irgendetwas nicht seinen Vorstellungen entspricht; er erwartet Gehorsam und schreitet im Fall des Falles umgehend zu Sanktionen, um es vorsichtig auszudrücken. Miteinander reden und schauen, was ist, wie Konflikte entstanden sind und daher möglicherweise am wirkungsvollsten gelöst werden könnten, das ist ihm fremd. Das ist nämlich Teil des entgegengesetzten Weltbildes nach Lakoff; es wird von „fürsorglichen Eltern“ praktiziert bzw. von Mitte-Links-Parteien.

ÖVP und FPÖ sind wohl nicht zufällig in Zeiten der Flüchtlingspolitik genau mit ihrer Strategie sehr erfolgreich geworden. In Zeiten der Unsicherheit war das für eine klare Mehrheit die einzigmögliche Antwort. Grenzen zu und aus! Schluss mit der Zuwanderung ins Sozialsystem etc.!

Der „strenge Vater“ reicht jedoch weit über die Flüchtlingspolitik hinaus: Das Gewaltschutzpaket, das Kritikern zufolge „law and order“ signalisiert, ist nur ein weiteres Beispiel. Ein anderes ist die Bildungspolitik: Eltern von Kindern, die ihren Pflichten nicht nachkommen, sollen (gemeinsam mit ihren Kindern) weniger Geld bekommen; dann werden sie sich’s schon merken. Volksschüler kriegen wieder Noten. Und Lehrer sollen überhaupt wieder eine Autorität werden. Man könnte auch von einer Beendigung von allem reden, was auch nur irgendwie mit den „68ern“ und ihren Kindern in Verbindung gebracht werden könnte.

Ja, es geht bis ins Private hinein: „Wer in unsrem Haushalt schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen“, ist ÖVP-Klubobmann August Wöginger überzeugt. Der Patron schafft an, der Nachwuchs hat zu folgen. Da gibt es keinen Spielraum und schon gar keinen Versuch, zumindest ein überzeugendes Argument zu liefern.

Ihr Selbstverständnis holen die Vertreter des strengen Kurses gerne über das Gegenmodell: Ganz besonders Grüne, die von ihrem Wesen her vielleicht am stärksten die „fürsorglichen Eltern“ verkörpern, die zuhören und reden und in gewisser Weise achtsam auftreten, sind demnach das Übelste, was man sich vorstellen kann: Gutmenschen und Vertreter einer Willkommenskultur, die zu Chaos und Unsicherheit führen.

Die Schwäche der „fürsorglichen Eltern“-Vertreter ist wohl, dass sie nicht so geeint auftreten und Gegenargumente möglicherweise auch von daher kaum hörbar sind. Letzteres liegt aber auch darüber hinaus ein bisschen in der Natur der Sache: Sozialdemokraten, Neos und Grüne betrachten den Menschen in unterschiedlicher Art und Weise als selbstbestimmtes Wesen, das zu respektieren und auch genau so zu behandeln ist. Dagegen sind die Vorstellungen von ÖVP und FPÖ klar und unmissverständlich und vor allem aus einem Guss.

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