ANALYSE. Sebastian Kurz hat nur eine Wahl: Schwarz-Blau fortsetzen oder die „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ alleine betreiben.
Angenommen, Sie betreiben ein Restaurant und bieten seit 2017 mit sehr großem Erfolg Steaks an: Damit haben Sie nicht nur die bisherigen Gäste halten können, sondern auch sehr viele von vergleichbaren Lokalen dazugewonnen. Sie können zufrieden sein. Zumal Sie im Übrigen davon ausgehen können, dass Ihre Steaks auch in Zukunft gefragt sein werden. Stellt sich die Frage: Warum sollen Sie auf ein rein vegetarisches Angebot umsteigen? Gut, vielleicht sagt Ihnen eine innere Stimme, dass das im Sinne des Klimaschutzes vernünftig wäre. Nachdem Sie das durchgerechnet haben, kommen Sie jedoch zum Schluss, dass sie unter den gegebenen Umständen nur mit Steaks auf der Menükarte erfolgreich sein können. Also „müssen“ Sie dabei bleiben.
Sorry, dass die Einleitung etwas länger geworden ist. Ziemlich genau so aber geht es Sebastian Kurz in einem ganz anderen Zusammenhang. 2017 hat er die ÖVP übernommen und zu einer „ordentlichen Mitte-Rechts-Politik“ geführt, wie er selbst sagt. Das Angebot führte zur entsprechenden Nachfrage: Die neue Volkspartei legte vor allem mit Hilfe ehemaliger Wähler rechter und populistischer Parteien zu. Genau genommen kam ziemlich genau ein Fünftel der Wähler, auf die die ÖVP letzten Endes kam, von FPÖ, Team Stronach und BZÖ. Zum Vergleich: Von Sozialdemokraten, Grünen und Neos kamen nur halb so viele.
Bei der Nationalratswahl 2019 wird sich die Zusammensetzung der ÖVP-Wählerschaft aller Voraussicht nach noch weiter nach rechts verlagern: Erfahrungs- und erwartungsgemäß dürfte die neue Volkspartei von freiheitlichen Verlusten profitieren. Auf der anderen Seite wird sie diesmal eher kaum Grüne gewinnen können; die Partei ist nämlich plötzlich wieder „in“.
Wohl auch vor diesem Hintergrund hat Kurz ohnehin schon selbst gesagt, dass er die „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ fortsetzen möchte: Das ist die logische Antwort auf seine Wählerschaft. Ganz und gar nicht logisch wäre Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Pink: Das würde große Teile der ÖVP-Wählerschaft so ähnlich verstören wie die Steak-Lokal-Gäste der Umstieg auf ein rein vegetarisches Angebot: Viele würden sich verabschieden, zu wenige andere würden an ihre Stelle treten. In Österreich gibt’s bei Wahlen schließlich meist eine Mitte-Rechts-Mehrheit.
Schwierig ist für Kurz nur, dass eine Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition mit dieser FPÖ auch in seinen eigenen Reihen zunehmend auf Bedenken stößt: Einzelfälle gibt’s ja weiter. Und Strache wird wohl auch künftig für Unruhe sorgen. Von daher hätte er nur eine Alternative: eine (alleinige) Minderheitsregierung. Auch eine solche wäre mit Risiken verbunden, aber immer noch besser als alle übrigen Konstellationen.
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