Koalitionspoker

-

ANALYSE. Aussagen von ÖVP-Chef, Kanzler Karl Nehammer lassen darauf schließen, dass Türkis-Rot mit allenfalls Pink die einzig mögliche Variante ist. Sicher ist jedoch gar nichts.

Vor wenigen Tagen hat ÖVP-Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer in einem Interview mit der Gratiszeitung „Heute“ gesagt, es stehe dazu, dass der Erste den Regierungsbildungsauftrag erhalten solle. Das sei gute Tradition. Vielleicht wollte er nur bluffen und die Überzeugung vermitteln, dass die Volkspartei bei dieser Nationalratswahl auf Platz eins landen werde. Vielleicht hat er auch geglaubt, was er und seine Leute behaupteten, um möglichst viele Wähler zu mobilisieren. Fakt ist: Nehammer meint das heute natürlich nicht mehr in dem Sinne, dass der Erste auch Kanzler werden soll. Sprich, dass er bereit ist, an den Wahlsieger Herbert Kickl (FPÖ) zu übergehen.

Im Gegenteil: Nehammer wird alles tun, damit er das Amt behält. Die naheliegendste Option dafür ist eine türkis-rote Koalition unter seiner Führung, zu der zur Gewährleistung einer klaren Mandatsmehrheit im Hohen Haus vielleicht Neos dazugenommen wird.

Auch am Wahlabend schloss Nehammer eine Zusammenarbeit mit Kickl aus. Das war nicht selbstverständlich und auch nicht vollkommen logisch. Nicht selbstverständlich, weil in den nächsten Wochen Landtagswahlen in Vorarlberg (Mitte Oktober) und der Steiermark (Ende November) stattfinden, Türkise dort mit Verlusten rechnen müssen und Freiheitliche mit sehr starken Zugewinnen rechnen können, ja die FPÖ in der Steiermark sogar gute Chancen auf Platz eins hat. Stellt sich Nehammer da so klar gegen Wahlsieger Kickl, könnte er diese Trends verstärken. Darauf ist er von Kickl gar schon hingewiesen worden: Wähler könnten „jetzt erst recht“ die Freiheitlichen wählen. Und nicht vollkommen logisch ist das Ganze, weil sich Nehammer damit einer Option beraubt, ja eine Koalition mit der SPÖ als fast schon alternativlos darstellt.

Ist Türkis-Rot mit allenfalls Pink unterm Strich also fast schon fix? Nein, das zu behaupten, wäre weit daneben. Nehammer sieht sich quasi als zweiter Wahlsieger nach der FPÖ. Er habe eine Aufholjagd hingelegt, behauptet er und verweist auf Umfragen, die seine Partei einst kaum über 20 Prozent sahen.

Jedenfalls ist die ÖVP deutlich stärker geblieben als die SPÖ und dass bedeutet nach türkiser Logik, dass sie weitreichende Zugeständnisse machen muss.

Kickl-Verhinderung spielt da keine Rolle. Höchstens eine unausgesprochene: Wenn die ÖVP schon trotz aller inhaltlichen Übereinstimmungen nicht mit der FPÖ koaliert, Österreich sozusagen Unsägliches erspart, dann mag sie das auch gewürdigt haben.

Im Klartext: Man sollte sich nicht wundern, wenn es Türkis-Rot nur gibt, wenn Andreas Babler, der aus Sicht nicht weniger ÖVP-Funktionäre inhaltlich übler ist als Kickl, weicht. Wenn keine neuen Steuern eingeführt werden, ja es gerade in Zeiten einer Rezession zu einer Entlastung der Wirtschaft kommt. Und so weiter und so fort. Ob das alles geht? Nehammer wird versuchen, es abzutesten. Sehr vieles wird auch vom Geschick der SPÖ abhängen, damit umzugehen. Insofern ist alles offen.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner