Klein, aber relevant

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ANALYSE. Nachdem die türkise Volkspartei gerade abgestürzt ist, zeigt sich bei der Landtagswahl in Vorarlberg, wie es um die schwarze bestellt ist. Und überhaupt.

Auf die Frage, welches die relevanteste Landtagswahl in absehbarer Zeit sein werde, mag man „die steirische“ im November antworten. Falsch ist es nicht, im Gegenteil: Hier dürfte ein Bundesland mit größerer Wahrscheinlichkeit blau werden; könnte sich in der ÖVP eine Dynamik ergeben, die auf eine Zusammenarbeit mit der „Herbert Kickl-FPÖ“ hinausläuft.

In Wirklichkeit ist aber jede Landtagswahl politisch bedeutend geworden. Auch die burgenländische im Jänner: Was bleibt zum Beispiel von Hans Peter Doskozil, wenn er für die SPÖ deutliche Verluste zu verantworten hat? Bisher kann er unter Verweis auf eine Absolute selbstbewusst behaupten, zu wissen, wie es gehe. Dann würde es schwieriger werden.

Auch die Vorarlberger Landtagswahl am 13. Oktober hat über den Arlberg hinaus eine größere Relevanz. Einerseits gibt es hier keine 300.000 Wahlberechtigte. Ungefähr so viele wie in den drei Wiener Bezirken Donaustadt, Floridsdorf und Leopoldstadt.

Andererseits aber kann man gleich bei dem Beispiel bleiben, um das Problem herauszuarbeiten: Der SPÖ könnten massive Verluste in der Donaustadt etwa nicht egal sein. Zumal sie mit Akademikern in den Zentren allein nicht weit kommen kann und zumal sie sich in industriereichen, ländlichen Regionen ohnehin schon länger auf dem absteigenden Ast befindet, wäre das ein weiteres alarmierendes Signal für sie.

Vorarlberg ist eine Region, die alles in allem nicht ländlich, aber auch nicht städtisch im herkömmlichen Sinne ist. Eine Region, in der es am ehesten noch die schwarze Volkspartei gibt. Verliert sie hier, sagen wir, zehn Prozentpunkte, und landet damit auf dem historisch klar niedrigsten Niveau, heißt das, dass sie nicht nur auf eine Vor-Türkisen-Dimension zurückgesetzt wird, sondern auf noch viel weniger.

In der gesamten ÖVP könnte man sich dann nicht einmal mehr damit trösten, dass das jüngste Nationalratswahlergebnis sein musste, weil Sebastian Kurz weg ist; dass man sich jetzt quasi auf alte Stärken zurückbesinnen und wieder die gute, alte Volkspartei sein könnte. Nein, im Ländle würde man sehen, dass diese Volkspartei auch nicht mehr funktioniert. Hier würde die Krise der Partei voll zum Ausdruck kommen.

Der Einwand, dass es Tirol noch gebe, mit dem Anton Mattle als ÖVP-Chef und Landeshauptmann traditioneller Schule, zählt nicht. Mattle hatte das Glück, zu einem Zeitpunkt eine Wahl schlagen zu können, zu dem der freiheitliche Zug von Wahlerfolg zu noch größerem Wahlerfolg erst begann. Abgesehen davon hat seine ÖVP ja ziemlich genau zehn Prozentpunkte verloren im September 2022.

Relevant ist die Vorarlberger Landtagswahl auch für die Grünen: Bei der Elefantenrunde des ORF ist deutlich geworden, dass Landeshauptmann Markus Wallner kaum noch einmal eine Regierungszusammenarbeit mit ihnen eingehen wird. Von Asyl bis Straßenbau herrschen zu große Differenzen zwischen den beiden. Einer Volkspartei, der Freiheitliche näher rücken, sind sie einfach nur lästig mit ihrer Klimapolitik.

Mit Vorarlberg verlieren die Grünen voraussichtlich die letzte Regierungsbeteiligung auf Länderebene. Im Bund wird’s wohl auch bald vorbei sein. Das wäre eine Zäsur. Werner Kogler und Co. bleibt nur wenig Hoffnung: Wallner müsste zurücktreten, der oder die Nachfolgerin müsste in den eigenen Reihen Schwarz-Grün oder allenfalls Schwarz-Grün-Pink durchsetzen können. Voraussetzung wäre aber, dass man sich in der ÖVP nicht gezwungen sieht, mit Freiheitlichem zu koalieren, sie also zu umarmen und so zu bremsen. Das müsste alles erst einmal so kommen. Darauf verlassen können sich die Grünen nicht.

Im Übrigen müssten Freiheitliche bei dieser Landtagswahl zur ÖVP aufschließen oder sie gar überholen, damit es zu unmittelbaren bundespolitischen Konsequenzen kommen könnte. Wenn Vorarlberg blau werden würde, wo dies im Unterschied zur Steiermark noch immer schwer vorstellbar ist, dann könnte Karl Nehammers „Brandmauer“ gegen Herbert Kickl bereits am Abend des 13. Oktober 2024 zu bröckeln beginnen.

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