Kickls Vorarbeiter

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ANALYSE. Karl Nehammer tut unfreiwillig alles, was notwendig ist, damit die FPÖ bei der kommenden Nationalratswahl vorne ist.

Es ist würde- und respektlos, wenn ein Bundeskanzler erstens Unsinn wie die Verankerung von Bargeld in der Verfassung zu seinem Hauptthema macht und zweitens den Souverän in einem Video auch noch duzt: „Beim Bäcker, beim Friseur oder im Kaffeehaus. Bezahlst du bar oder mit Karte? Ich will, dass du genau das auch in Zukunft selbst entscheiden kannst“, so Karl Nehmmar, ÖVP.

Dass die Sache durchschaubar ist, macht nichts besser: Nehammer wandelt mit Hilfe von Mister Message Control Gerald Fleischmann auf den Spuren von Sebastian Kurz. Was notwendig und vernünftig ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was Teile des Volkes gerne hören möchten. Und zwar jene, die der FPÖ auf den Leim gehen oder gehen könnten.

Die Umsetzung ist freilich derart stümperhaft, dass sich Herbert Kickl zurücklehnen kann: Für seine FPÖ wird das nicht gefährlich. Das Wort stümperhaft ist hart, aber bewusst gewählt. Nehammer hat bisher nichts vollendet. Es ist immer bei einem Stumpen geblieben.

Im Frühjahr stellte er einen Corona-Versöhnungsprozess in Aussicht. Impf- und Maßnahmengegner, die sich von der ÖVP ab- und insbesondere bei der niederösterreichischen Landtagswahl der FPÖ zugewendet hatten, sollten so besänftigt werden. Über die Ankündigung ist Nehammer jedoch bis heute nicht hinausgegangen.

Im Sommer stieg er in die Normalitätsdebatte ein, die Johanna Mikl-Leitner angestoßen hatte. Wirklich gekommen ist diesbezüglich aber nichts von ihm. Dabei wäre das Ganze aufgelegt: Eine Masse betrachtet sich als normal. Viele hängen gerade in bewegten, unsicheren Zeiten an vagen Vorstellungen davon, was „normal“ ungefähr sein könnte. Kurz hat daher in der Pandemie von einer Rückkehr zur Normalität gesprochen. Dagegenzuhalten ist schwer. Auch wenn es notwendig ist, muss Normalität doch Vielfalt bedeuten, wie der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) betont.

Bemerkenswert ist aber eben, dass Nehammer nichts Wesentliches zur Normalitätsdebatte beizusteuern hat. Er spürt vielleicht, was möglich ist, er möchte jedenfalls herausholen, was herauszuholen ist, bringt das aber nicht zusammen. Das ist übel: Hier scheitert einer beim Versuch, Populist zu sein, und ist damit dabei, dem größten Populisten (Herbert Kickl) in die Hände zu spielen.

Siehe Bargelddebatte: Es ist, als würde Nehammer die Vorarbeit für Kickl machen wollen. Kickl sagt danke, fordert mitten im Sommer eine Sondersitzung des Nationalrats, um Nägel mit Köpfen zu machen. Und freut sich auch schon, dass eine Anti-EU-Debatte daraus werden könnte, geht es doch um eine europäische Angelegenheit. Anders ausgedrückt: Wer das umfassend national regeln möchte, muss sich von Europa abkoppeln.

Nehammer hat bisher nur einen Ansatz gefunden, durch den er es Kickl schwer machen hätte können: Nämlich, indem er de facto erklärte, dass dieser nicht Kanzler werden dürfe. Das hätte Wähler dazu bringen können, Kickl in Verbindung mit diesem Amt zu sehen – und darüber nachzudenken, ob sie ihn als Regierungschef wollen. Viele, die ihn als Absage an das politische System schätzen, würden vielleicht sagen, dass ihnen das zu weit geht. Dass sie dann doch lieber nicht blau wählen.

Interessant ist jedoch, dass Nehammer die Kanzlerfrage zu einem Zeitpunkt stellte, zu dem noch nicht einmal ein Nationalratswahltermin in Sicht ist. Zur Unzeit also. Er riskiert damit, dass sie dann, wenn es unmittelbar vor einem Urnengang darauf ankommen würde, keine Wirkung mehr entfalten kann.

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