Kickls Geist und seine Helfer

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ANALYSE. In der Pandemie treibt der FPÖ-Chef eine Politik auf die Spitze, die tief blicken lässt: Land und Leute sind egal, es geht um Stimmen. Zu viele Mitbewerber haben kein Problem damit.

FPÖ-Obleuten der vergangenen Jahre kann man unterstellen, dass ihnen nichts zu dumm, nichts zu niederträchtig war und ist. Gab’s eine Aussicht auf politischen Erfolg, war alles recht. Jörg Haider hat einst entdeckt, was sich mit dem Thema Migration machen lässt. Ein „Anti-Ausländervolksbegehren“ beispielsweise. Mit solchen Inhalten schaffte es die Partei in Folge der Flüchtlingskrise 2015 unter Heinz-Christian Strache beinahe an die Spitze der Wählergunst. Zu Europa tauschte Haider mir nichts, dir nichts ursprüngliche Überzeugungen gegen Stimmungsmache ein: Er und seine Leute waren einst für europäische Integration gewesen. Im Vorfeld der Volksabstimmung über einen EU-Beitritt glaubte Haider jedoch, dass damit im Wettbewerb gegen damals proeuropäische Großparteien wenig zu holen ist. Also begann er gegen die EU zu mobilisieren. Und wie: Er warnte unter anderem davor, dass Blutschokolade und Joghurt mit Schildläusen auf den Markt kommen würden.

Das leitet über zum heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl: Gerade in der Pandemie bedient er mehr oder weniger exklusiv die Leute, die bei einer Abwägung zum Ergebnis kommen, dass es dem Staat gar nicht um eine Bekämpfung des Infektionsgeschehens (bzw. die Verhinderung von Folgen davon) geht, sondern ausschließlich um Freiheitsbeschränkung. Das ist zwar eine Minderheit, aber eine nennenswerte Minderheit. Damit lassen sich Wahlerfolge erzielen. Allein darauf kommt’s ihm an.

Kickl tut alles dafür, es ist ihm alles egal. Bis hin zu menschlichen Opfern. Ein Wurmmittel zur Corona-Behandlung? Warum nicht: Das ist gerade gut genug, um ganz Wesentliches erreichen zu können: Auffallen, zuspitzen – irgendetwas wird schon hängen bleiben.

Ein gewöhnlicher Mensch kann das schwer nachvollziehen. Es würde seinem Verantwortungsbewusstsein genauso widerstreben wie der Vernunft. Beim Politiker Kickl sind das aber genau die Dinge, die keine Rolle spielen.

Er will auch nicht gut ankommen bei einer Masse. Würde er das tun, müsste er zurücktreten. Mitte Oktober hat die Gratiszeitung „Heute“ das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht, wonach eine absolute Mehrheit von 55 Prozent erklärte, er sei ihnen in den vergangenen 14 Tagen negativ aufgefallen. (ÖVP-Obmann Sebastian Kurz lag nach Regierungskrise und Rücktritt als Kanzler noch schlechter, das aber ist eine andere Geschichte.)

Nur 22 Prozent sagten, Kickl sei ihnen positiv aufgefallen. Das klingt vernichtend. Kickl wird jedoch zufrieden sein: Viele dieser 22 Prozent hat er „fix“ gewonnen, weil sie durch keine der übrigen im Parlament vertretenen Parteien mit einer solchen Anti-Corona-Politik bedient werden.

Nachvollziehen kann das allenfalls, wer erkennt, dass es hier nicht um Land und Leute, sondern einzig um Stimmen geht. Spezifisch österreichisch ist, wie sehr das geduldet und immer wieder auch von anderen Parteien übernommen wird. Die Wahlerfolge, die Sebastian Kurz 2017 und 2019 für die ÖVP erzielt hat, beruhen vor allem darauf, dass er Anlehnung bei freiheitlicher Flüchtlings- und Europapolitik genommen hat. Auch der burgenländische Sozialdemokrat Hans Peter Dosokozil schielt drauf.

Schimmer: In Oberösterreich hat die ÖVP von Landeshauptmann Thomas Stelzer mit der Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition gerade keine unmissverständliche Absage an Kickl’sche Anti-Coronapolitik erteilt. Kickl mag nicht in Linz, sondern in Wien sitzen, aber er war mit seinen Botschaften gern gesehener Akteur im oberösterreichischen Landtagswahlkampf. Landes- und Bundesparteiorganisation von LH-Stv. Manfred Haimbuchner und ihm lassen sich von daher nicht trennen.

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