ANALYSE. Im Umgang mit Medien versucht sich der selbsternannte „Volkskanzler“-Kandidat in einer nicht ganz neuen Doppelrolle.
FPÖ-Chef Herbert Kickl und Medien. Auf Parteiveranstaltungen und in Aussendungen äußert er sich zum Beispiel folgendermaßen über diese: Beim freiheitlichen Neujahrstreffen sprach er von „Systemmedien“, die mit „sogenannten Politikexperten und politischen Gegnern“ eine „unheilige Allianz“ bilden würden. In einer Aussendung ortete er im ORF, den er zu einem Grundfunk zertrümmern möchte, eine „stetige Beschimpfung“ seiner Partei. Und überhaupt: Die „Rolle des Staatsfunks in der Corona-Zeit als Propaganda-Organ der Regierung samt Impf-Lobbyismus“ sei „noch nicht vergessen“.
Beim Aschermittwoch in Ried widmete er sich wieder Medien im Allgemeinen, begrüßte er „Vertreter der Mainstream-Medien“, die er als „Wahlkampfhelfer der Einheitspartei“ bezeichnete, die als „Herzschrittmacher, Sauerstoffzelt, Defibrillator und Rollator“ ebenjener fungieren würden.
Botschaft an die Zuhörer vor Ort und die Wähler, die er ansprechen möchte: Medien sind unsere Gegner. Sie sind Teil des Systems, das ich, einmal an der Macht, treten werde.
Insofern ist es nur konsequent, dass sich der FPÖ-Chef mit Förderungen, also Steuergeldern, FPÖ TV und anderen Teile einer eigenen Medienwelt leistet. Nicht konsequent ist hingegen, was er in einem dieSubstanz.at vorliegenden Brief Chefredakteur:inen geschrieben hat: Er empört sich über Inseratenwillkür, die er (wie hier berichtet) als Innenminister auch selbst zu verantworten hatte; und er gibt sich besorgt darüber, dass „das Vertrauen, das die Bürger den Medien entgegenbringen“ sinke.
Wie soll es das auch nicht tun bei einem Mann wie Kickl, der Massen gegen Medien mobilisiert, der – Wiederholung – unterstellt, dass zum Beispiel der ORF „in der Corona-Zeit bloß ein Propaganda-Organ der Regierung samt Impf-Lobbyismus“ gewesen sei? Was glaubt Kickl, was da herauskommt? Vertrauen in die Medien?
Oder: „Freiheit und Unabhängig der Medien sind die Garanten einer Berichterstattung, auf deren Kompetenz und investigative Kraft, aber auch auf deren Fairness und Objektivität die Bürger vertrauen können.“
Nicht, dass ein solcher Kickl neu wäre. Vor genau 19 Jahren hat er in einer Aussendung für seine Partei, die FPÖ, „eine neue Qualität im Umgang mit den Medien“ angekündigt. Zitat: „Die rituelle Journalistenbeschimpfung vergangener Zeiten wird es bei uns jedenfalls nicht mehr geben.“ Es hielt nicht lange.
Das Motiv war durchschaubar: Von der FPÖ hatte sich das BZÖ abgespaltet, die Zukunft der Partei schien zunächst ungewiss. Sie war zunächst schwach und klein, hatte noch keine eigene Medienwelt und bemühte sich daher um ein gutes Einvernehmen mit den bestehenden, in der Regel unabhängigen Medien.
Und heute? Kickl beginnt interessanterweise schon jetzt mit einem Doppelspiel. Man hätte glauben können, er ziehe seine kompromisslose Radikalität zumindest bis zum Wahltag durch, um erst dann vorübergehend Kreide zu sich zu nehmen; um bis dahin seine Anhängerschaft in gewohnter Weise bei Laune zu halten.
Warum tut er das nicht? Kickl hat ein Problem und das deutet auf seine größte Schwäche hin: So sehr er heute gegen „Systemmedien“ wie „Einheitsparteien“ (also alle anderen) mobilisiert, so sehr braucht er sie zumindest für einen Übergang. Ja, als Steigbügelhalter. Er braucht ein, zwei andere Parteien halt doch für eine Koalition und am besten auch Medien, die in seinem Sinne ab dem Wahlabend schreiben, dass er mit seiner Partei erster sei und daher „Anspruch“ aufs Kanzleramt habe. Dass man das akzeptieren müsse und so weiter und so fort.
Das braucht er umso mehr, als das Gewicht der Gegenargumente wächst. Zum Beispiel: Mit Kickl droht Österreich viel mehr noch als bisher zum nützlichen Idioten von Wladimir Putin in Europa zu werden. Zu einem Bündnispartner der Slowakei und von Ungarn.
Hier zeigt Kickl nun eine Schwäche: Gegenüber seinen Anhängern tut er so, als wären alle anderen nur Verräter, ja Volksverräter. Zugleich sieht er sich nun aber jetzt schon gezwungen, sich bei diesen anzubiedern, um ins Kanzleramt kommen und eine antieuropäische, autoritäre Realverfassung entwickeln zu können. Darauf sollte man nicht hereinfallen.