Kickl tut weh

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ANALYSE. Stärker als seine Vorgänger verfolgt der FPÖ-Chef einen Kurs der neuen Rechten. Das Potenzial sollte nicht unterschätzt werden, zumal er noch extremer ist als der der neuen ÖVP.

Gut möglich, dass das ORF-Sommergespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl schon bald wieder vergessen ist. Kickl hat die Gelegenheit nicht für den einen großen Kracher genützt, der die Schlagzeilen für ein paar Tage beherrscht. Möglich, dass er sich im Sinne seiner Freunde in Oberösterreich, die mitten in einem Landtagswahlkampf stehen und sich konstruktiv-regierungsfähig geben wollen, nicht durchkreuzen wollte.

Andererseits ist schon das bemerkenswert, was Kickl im Gespräch von sich gegeben hat: Gezielt wie breit hat er einen Kurs gepflegt, der für die neue Rechte kennzeichnend ist. Gegen die EU, gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, gegen Flüchtlingspolitik, gegen Corona-Impfungen und gegen Klimapolitik. Gletscher hätten sich auch schon in der Vergangenheit rückgebildet, ehe sie wieder gewachsen seien. Und überhaupt: Kickl leugnet zwar nicht, dass es einen Wandel gibt, er würde jedoch nicht versuchen, ihn einzubremsen, sondern, „sich an die Gegebenheiten möglichst gut anzupassen“.

Der Nachweis, dass Corona-Impfungen wirken, ist für Kickl nicht erbracht. Überhaupt will er die ganze Aufregung nicht verstehen: „Man tut so, als würden Menschen am Gehsteig sterben.“ Ob er selbst glaubt, was er sagt? Das ist nicht der Punkt: Schon bei Jörg Haider hat er gelernt, Politik als Geschäft wahrzunehmen, bei dem es darum geht, sich hemmungslos an Wähler-Märkten zu orientieren. Er weiß, dass 15, 20 Prozent der Menschen in Österreich das sind, was gemeinhin als Impfgegner bezeichnet wird. Noch ein paar mehr sind zumindest skeptisch oder verunsichert. Es geht ihm darum, sie zu bedienen, weil das sonst niemand tun kann oder will. Schäden sind ihm egal.

Besonders für die neue ÖVP, die sich rechts der Mitte breit gemacht hat, ist der FPÖ-Chef eine Kampfansage, die stärker ist als Heinz-Christian Strache, geschweige denn Norbert Hofer. Mit der „Warnung“, dass Klimapolitik zurück in die Steinzeit führen könnte, wird ihm Sebastian Kurz nicht beikommen. Auch bei Afghanistan und Flüchtlingen ist Kickl noch deutlicher, noch extremer: Seine Aussage, dass man der Botschafterin, die von der alten Kabuler Regierung nach Wien geschickt worden ist, Schutz gewähren sollte, kann nicht über zwei, drei Spitzen hinwegtäuschen, denen man in Stammtischrunden erst begegnen können muss: Die Amerikaner hätten 20 Jahre Krieg geführt und seien jetzt überfallartig abgezogen; sie hätten sich „ausgetobt“ – und „Österreich soll dann die Frauen retten“? Laut Kickl gibt es so viel Leid auf der ganzen Welt, dass man sich nicht um alles kümmern kann. Fehlte nur noch, dass er das bedauert.

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