Katastrophal, aber nicht verloren

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ANALYSE. Bundeskanzler Kurz und FPÖ-Chef Kickl kommen bei der Bevölkerung ähnlich schlecht an. Bei beiden gehört genau das jedoch zum Geschäftsmodell.

Viel katastrophaler könnten diese Umfragewerte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht sein. Würde man meinen: Im Auftrag der Gratiszeitung „Heute“ hat das Meinungsforschungsinstitut „Unique Research“ erhoben, wie Spitzenpolitiker in den vergangen 14 Tagen aufgefallen sind. Ergebnis: Einer absoluten Mehrheit von 51 Prozent ist Kurz „negativ“ aufgefallen. Schlechter schnitt nur FPÖ-Chef Herbert Kickl ab (54 Prozent).

Schaut man sich auf der anderen Seite an, wie vielen Menschen die Chefinnen und Chefs der im Parlament vertretenen Parteien positiv aufgefallen sind, fällt auf, dass es sich bei allen um 21 bis 24 Prozent handelt – ja, dass etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei dieser Fragestellung – mit 24 Prozent – gleichauf mit Sebastian Kurz vorne liegt.

Bei „Kanzlerfragen“ rangiert der ÖVP-Obmann jedoch immer klar auf Platz eins – und zwar so weit vor seinen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern, dass man kaum von Mitbewerberinnen und Mitbewerbern reden kann. Das unterstreicht folgendes: Wichtig für Leute wie Kurz, aber auch Kickl, ist nicht so sehr, wie gut sie ankommen, sondern dass sie polarisieren. Hohe Negativwerte sind für sie nicht schlecht, wenn sie in Verbindung stehen (erstens) mit relativ wenigen Menschen, die keine Meinung haben zu ihnen und (zweitens) mit einer soliden, starken – im Sinne von überzeugten – Anhängerschaft. Damit lassen sich allemal (noch) relative Mehrheiten bei Nationalratswahlen erzielen.

Auf die Frage, wie er oder sie in den vergangenen 14 Tagen aufgefallen ist, antworten „weder negativ noch positiv“ oder „keine Angabe“ in Summe nur 25 bzw. 26 Prozent bei Kurz und Kickl, aber 41 bis 50 Prozent bei Rendi-Wagner, Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (Neos).

Zur Stärkung dieser eigenen Anhängerschaft vergrößert die ÖVP wie die FPÖ, die das seit Jörg Haiders Zeiten tut, so sehr einen Außenfeind, dass die „Krone“ nach ihrem Bundesparteitag vom vergangenen Sonntag von „Bläulich-türkis“ schrieb: Seit die ÖVP den Kanzler stelle, seien „alle“ gegen die Volkspartei, machte Klubobmann August Wöginger Stimmung. Was beim Wort genommen schon von daher vollkommen absurd ist, als dieses „alle“ unter anderem die beachtlichen 37,5 Prozent der Menschen unterschlägt, die 2019 die ÖVP gewählt haben und zum größten Teil wohl auch Kurz als Kanzler haben wollten.

Aber sei’s drum: Was Wöginger hier anstimmte und womit auch Kurz selbst spielt, seit er wegen mutmaßlicher Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird und behauptet, es gehe nur um ein „Kurz muss weg“, ist eine Vorbereitung auf das, was möglicherweise kommt: eine Anklageerhebung und in weiterer Folge unter Umständen eine Verurteilung.

„Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“, lautet sicherheitshalber die unausgesprochene Ansage der ÖVP für Sebastian Kurz: Die eingangs erwähnten 51 Prozent zeugen zwar davon, dass er an Strahlkraft verloren hat. Alle anderen Werte („positiv“, „weder noch“, „k.A.“) sowie Ergebnisse der Kanzler- und der Sonntagsfrage lassen jedoch darauf schließen, dass die Strategie aufgehen könnte – dass den 51 Prozent ein harter Kern gegenübersteht, der „jetzt erst recht Kurz“ haben möchte.

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