ANALYSE. Der ÖVP-Bundesparteitag dient einzig und allein der Bestätigung von Sebastian Kurz. Große Debatten und ebensolche Anträge sind nicht vorgesehen. Eine Offenbarung.
Die Tageszeitung „Österreich“ übertreibt ebenso gerne, wie sie Geschichten personalisiert. Bei ihrem Vorbericht für den 39. ordentlichen Bundesparteitag der Österreichischen Volkspartei diesen Samstag in St. Pölten liegt sie jedoch nicht weit neben den wahren Verhältnissen. Im Gegenteil: „Kurz-Show mit Susanne“, lautet der Titel.
Vorgesehen ist ein Kurz-Parteitag im doppelten Sinne: Er soll nicht lange dauern, sondern in vier, fünf Stunden über die Bühne gehen. Und er soll ganz auf Kanzler wie Obmann Sebastian Kurz ausgerichtet sein. Und zwar so sehr, dass sich Medien wie „Österreich“ in Ermangelung berichtenswerter Inhalte vor seiner Rede darauf konzentrieren, die geplante Anwesenheit von Lebensgefährtin Susanne Thier zu betonen, mit der er dabei ist, eine Familie zu gründen; noch heuer soll sie ein Kind zur Welt bringen. Das gibt etwas her, zumindest seitenblickemäßig.
Man muss wissen, dass ein ordentlicher Bundesparteitag bei der ÖVP nur alle vier Jahre stattfindet. Und dass schon der letzte (2017) eine Sebastian Kurz-Show war, die allerdings ganz im Zeichen bereits ausgerufener Nationalratswahlen stand.
Heute wird in absehbarer Zeit angeblich keine Nationalratswahl angestrebt. Umso mehr Platz würde dafür bleiben, die innerparteiliche Demokratie zu pflegen. Voraussetzung dafür wäre freilich, dass eine solche leben würde; und zwar insofern, als sich Jugend- wie Senioren- oder Landes- wie Standesorganisationen z.B. ernsthafte Gedanken über eine bessere Gesellschaft nach Corona machen, Programme entwickeln und auf einem Bundesparteitag präsentieren.
An Themen würde es nicht mangeln. Abgesehen davon werden Inhalte ansonsten ohnehin jahrein, jahraus von Spindoktoren aus dem Kanzleramt diktiert. Inklusive „Message Control“. Funktionäre könnten sich gerade unter diesen Umständen die Gelegenheit, den Spieß auf einem der raren Bundesparteitage endlich einmal umzudrehen, erst recht nicht nehmen lassen. Sie tun es jedoch.
Genauso könnten die Spindoktoren auf die Idee kommen, innerparteiliche Demokratie wenigstens bei einem Bundesparteitag zu demonstrieren und die Funktionäre ermuntern, sich zu engagieren. Dass sie das unterlassen, verdeutlicht, wie sehr die ÖVP das geworden ist, was die SPÖ lange war: ein Kanzlerwahlverein. Funktion der Partei ist es demnach ausschließlich, dem Chef zu dienen; wie es im Übrigen auch Ministerinnen und Minister sowie Abgeordnete auf parlamentarischer Ebene zu tun haben und über weite Strecken auch tun.
Das entspricht den Bedingungen, die Sebastian Kurz bei Übernahme der ÖVP vor vier Jahren definiert hat; die Vorstandsmitglieder haben ihm zugestanden, allein bestimmen zu dürfen. Das war ihre Antwort auf leidvolle Erfahrungen der Vergangenheit: Innerparteilich wurde über weite Strecken nur gestritten, ein Obmann nach dem anderen aufgerieben. Anstelle sich um ein Debattenkultur zu bemühen, haben sie die Weichen dafür gestellt, dass es gar keine ernsthaften Auseinandersetzungen mehr gibt; vor allem auch keine solchen, die der Partei helfen könnten, immer wieder neu zu wachsen bzw. sich weiterzuentwickeln.
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