SPÖ beugt sich türkisem Spin

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ANALYSE. Betreffend Afghanistan können sich ÖVP, aber auch Grüne aus unterschiedlichen Gründen freuen über Rendi-Wagner und Genossen.

Fast könnte man glauben, der türkise Kurs gegenüber gefährdeten Menschen in Afghanistan sei alternativlos: Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz, Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer ausschließen, auch nur ein paar hundert nach Österreich kommen zu lassen, gibt es kaum Widerspruch. Zunehmend wahrnehmbar ist er von grüner Seite, zumal damit auch ein Koalitionskrach einhergeht. Aber sonst? Bei den Sozialdemokraten herrscht – mit wenigen Ausnahmen – größtmöglich Zurückhaltung.

Man könnte auch von Resignation sprechen: Pamela Rendi-Wagner, die Parteivorsitzende, riskiert mit jeder Aussage, die von burgenländischen Ansichten abweicht, Krach mit dem dortigen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil; das will sie sich ersparen. Im Übrigen hat sie hingenommen, dass in Österreich (vermeintlich) nur mit einer Linie durchzukommen ist: „2015 darf sich nicht wiederholen“, übernahm sie Anfang August denn auch die Kurz’sche Botschaft, die so wirkungsvoll ist, dass sich jede weitere Debatte erübrigt: Niemand will, dass es wieder zu seiner so großen Flüchtlingskrise wie vor sechs Jahren kommt. Laut Experten wie Gerald Knaus ist es unrealistisch, dass sie sich wiederholt. Aber wen interessiert das schon? 2015 steht für eine Katastrophe, wer davon spricht, riskiert, Ängste auszulösen, provoziert aber jedenfalls eine maximale Abwehrhaltung, derzufolge es am besten ist, gar niemandem Schutz zu gewähren; dann kann auch niemand nachkommen.

Wenn demnächst Neuwahlen stattfinden würden, hätte Sebastian Kurz sein gewinnbringendes Thema dieser Tage wieder hochgefahren und die SPÖ würde einmal mehr keine Rolle spielen; im Gegenteil, Kurz könnte unter Verweis auf sie sogar behaupten, dass er die richtigen Antworten habe, dass er durch sie bestätigt werde.

Im „Roten Foyer“, einem Rahmen für Pressekonferenzen, äußerte sich Rendi-Wagner in der Sache zuletzt durchaus in seinem Sinne: Die internationale Staatengemeinschaft, die EU und die österreichische Regierung sollten „rasch handeln“. Sie sollten mit den Nachbarstaaten Afghanistans eine Art „Türkei-Deal“ vereinbaren, schauen, dass die Menschen „vor Ort“ untergebracht werden, damit letzten Endes auch eine „unkontrollierbare und gefährliche Flucht ach Europa verhindert“ wird.

Der scharfe Ton, den SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nun anschlug, täuschte lediglich darüber hinweg, wie nahe der rote dem türkisen Kurs in dieser Frage ist: „Die unmenschliche Politik der türkisen Truppe ist eine Schande für das ganze Land!“, schäumte er. Abgesehen davon, dass exakt mit dem Wort „Schande“ bereits Stunden zuvor der Vorarlberger Grüne Johannes Rauch eine solche Zuordnung vorgenommen hatte, ließ Deutsch im Weiteren tief blicken.

Er verwies darauf, dass auch die SPÖ Asylzentren außerhalb Europas fordert. Er unterstellte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nur insofern ein Versagen, als dieser zulasse, dass „täglich hunderte junge Männer unkontrolliert die Grenze“ zu Österreich überqueren würden, die er zudem pauschal als Migranten bezeichnete. Das entspricht genau der ÖVP-Darstellung, dass es ausschließlich eine „illegale Migration“ gebe, also gar keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Grünen könnten dankbar sein über diese SPÖ: Links der Mitte mag zwar keine Mehrheit zu holen sein, ihnen bleibt so aber ein größeres Potenzial; und auch wenn sie sich in der Regierung nicht durchsetzen können, bleibt ihnen so doch die Möglichkeit, sich wirkungsvoller gegen die ÖVP zu profilieren.

Die Bundes-SPÖ wagt es nicht, sich für die Aufnahme gefährdeter Menschen aus Afghanistan auszusprechen. Im Unterschied zum Wiener Bürgermeister und Landesparteivorsitzenden Michael Ludwig etwa, der seine Bereitschaft dazu unmittelbar nach Machtübernahme der Taliban unmissverständlich äußerte: „Wir würden eine gewisse Anzahl von besonders bedrohten Menschen durchaus bei uns in Wien versorgen können.“

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