Kann Wien kippen? Ja

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ANALYSE. Die Ausgangslage für die Gemeinderatswahl ist besonders für die SPÖ spannend: Sie kann sich nicht sicher sein, den Bürgermeister zu halten.

Wie die Wiener Gemeinderatswahl nach dem Sommer ausgehen wird, kann kein Mensch sagen. Jeder vernünftige Mensch wird jedoch die Möglichkeiten aufgrund der politischen Großwetterlage beachten.

2015 ist die SPÖ erstmals bei einer Gemeinderatswahl unter 40 Prozent gerutscht. Aber das war natürlich ein besonderer Urnengang, er stand ganz im Schatten der Flüchtlingskrise. Sie hat es Heinz-Christian Strache erleichtert, die Freiheitlichen auf mehr als 30 Prozent zu bringen.

Und heute? Die Flüchtlingskrise ist nicht mehr unmittelbar bestimmend und das mit den Freiheitlichen ist überhaupt eine eigene Geschichte. Sie selbst sind auf dem Weg zur Einstelligkeit, während Strache mit einer eigenen Splitterpartei das Ziel „15 Prozent“ ausgegeben hat.

Für die Sozialdemokratie hört sich das gut an. Allein: Es gibt noch viel mehr, was schlecht für sie ist. Dass sich ihre Zusammenarbeit mit den Grünen weiterhin ausgeht, ist nicht sicher, aber sehr gut möglich. Aus heutiger Sicht aber allein aufgrund eher starker grüner Zugewinne.

Zweite große Gewinnerin könnte die türkise ÖVP werden; wobei ihr Glück ist, dass sie von einem so niedrigen Stimmenanteil (neun Prozent) startet, dass nicht einmal eine Verdoppelung eine Sensation wäre. Bleiben die Neos, deren erklärtes Ziel es ist, einen roten Bürgermeister zu verhindern; auch sie starten mit sechs Prozent von einem bescheidenen Niveau und können mit Zugewinnen rechnen.

Kleiner, aber entscheidender Exkurs: Nationalratswahlen in Wien sind nicht Gemeinderatswahlen in Wien. Sie geben aber einen Hinweis auf Stimmungslagen und praktisch mögliche Potenziale. Insofern ist das Ergebnis der letzten Nationalratswahl bemerkenswert: Die SPÖ ist in der Bundeshauptstadt zu einer Mittelpartei abgestiegen, während ÖVP und Grüne zu einer solchen aufgestiegen sind.

Und weiter bei diesem Exkurs: ÖVP und Grüne haben sich auf Bundesebene vereint und verbringen gerade eine Art Flitterwochen. Damit kann es schnell vorbei sein, muss es aber nicht: Vorgesehen haben sie vorerst eher nur populäre Maßnahmen, wie eine Steuersenkung und keine (ökologische) Spritpreiserhöhung. Da ist ein türkis-grüner Hype, der sich halten kann und der natürlich auch auf die Wiener Gemeinderatswahl abstrahlen würde; vor allem, wenn es den Grünen gelingt, zumindest den Klimaschutz im Sinne vieler Junger, die eher Mitte-Links stehen, groß auf der Agenda zu halten.

Das Problem der Wiener SPÖ: Sie kann nur schwer dagegenhalten. Auch Migration wird mit Kopftuchverbot und vielem anderen, was eine deutliche Wählermehrheit unterstützt, von der türkisen ÖVP so stark bearbeitet, dass sie kaum eigene Akzente setzen kann. Das ist das eine.

Das andere: Sehr viel spricht dafür, dass es nach der Gemeinderatswahl Koalitionsvarianten gegen die SPÖ geben kann, ohne dass die FPÖ dabei sein muss. Türkis-Grün-Pink zum Beispiel. Schwer vorstellbar? Klar, dass die Wiener Grünen von der SPÖ zur ÖVP wechseln, ist schwer vorstellbar. Das aber ist auch Türkis-Grün gewesen und vor allem würden die Wiener Grünen in eine Scharnierposition kommen, bei der sie sich die Entscheidung, ob sie mit einer Mitte-Rechts- oder eine Mitte-Links-Partei koalieren sollen, teuer abkaufen lassen können.

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