ANALYSE. Eine Mitte-Links-Koalition wird in absehbarer Zeit nicht mehr zustande kommen. Und für die bestehenden wird’s eng. Eine Erklärung dafür, dass die Partei so tollpatschig agiert.
Ganz Österreich beschäftigt sich mit der Flüchtlingskrise, doch ein paar Leute hinter dem grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen haben andere Sorgen: „Wie schätzen Sie Alexander Van der Bellen ein?“, wollten sie Anfang Februar von Facebook-Usern wissen, wie „Der Standard“ berichtete: „Kaffee oder Tee? Wir sind gespannt, welches Getränk die meisten Nennungen erhält.“
Die Episode ist bezeichnend für den Zustand der Partei: Wie schon im Wiener Gemeinderatswahlkampf, als sie mit einem „Bussi“-Plakat von sich reden machten, schaffen sie es in einer politisch aufgeheizten Zeit nicht, politische Botschaften zu formulieren. Und das, obwohl sich das Land in einem Polarisierungsprozess befindet, wie schon lange nicht mehr: „Ja oder Nein zum Asylrecht“, lautet die vereinfacht ausgedrückte Formel. Wobei sich fast alle Mitbewerber nach rechts bewegen: Nicht mehr nur die Freiheitlichen wollen, dass Flüchtlinge abgewehrt werden, sondern immer mehr auch die maßgeblichen SPÖ- und ÖVP-Vertreter.
Dass die Sehnsucht nach Widerspruch zum rot-schwarz-blauen Kurs in dieser Klientel groß ist, müsste ihnen im Übrigen entgegenkommen.
Auf den ersten Blick wäre das eine Chance für die Grünen: Sie sind plötzlich die einzige Partei, die mitte-links steht. Dort mag es zwar keine Mehrheit mehr geben, aber die 30, 40 Prozent, die dort noch immer zu gewinnen sind, hätten sie für sich allein. Dass die Sehnsucht nach Widerspruch zum rot-schwarz-blauen Kurs in dieser Klientel groß ist, müsste ihnen im Übrigen entgegenkommen. Oder ist dieser Kurs „alternativlos“? Nein, das ist er natürlich nicht.
Dass sich die Grünen dennoch schwertun, entschuldigt zwar nicht ihre Zögerlichkeit, ist aber zumindest erklärbar: Eine Bundespräsidenten-Wahl gewinnt man nur, wenn man 50 Prozent plus eine Stimme erreicht. Also darf sich Van der Bellen nicht zu sehr „profilieren“, sondern muss Kompromisse eingehen, um auch Mitte-Rechts-Wähler anzusprechen.
Würde heute in der Bundeshauptstadt oder anderswo gewählt werden, würde sich Rot- oder Schwarz-Grün kaum noch ausgehen.
Schwerwiegender noch ist das Koalitionsproblem, das sich für die Grünen aufgetan hat: Indem es SPÖ und ÖVP nach rechts, ja zu den Freiheitlichen zieht, scheiden sie als Partner für sie aus. Bestätigt hat sich das bereits im vergangenen Jahr in der Steiermark, im Burgenland und vor allem in Oberösterreich. In Wien ist sich Rot-Grün gerade noch einmal ausgegangen.
Würde heute in der Bundeshauptstadt oder anderswo gewählt werden, wäre Rot- oder Schwarz-Grün kaum noch drinnen. Womit es für sie eigentlich keinen Sinn mehr macht, sich anzupassen und die Hintertür zu einer der beiden Konstellationen offenzulassen; sie könnten vielmehr darangehen, ihr Profil zu schärfen – allerspätestens nach der Bundespräsidentenwahl.