ANALYSE. Der Wahlerfolg von Kay-Michael Dankl in Salzburg steht für eine Art Postpolitik. Sie wirkt links, ist vor allem aber auch populistisch – und sie ist so erfolgreich, weil bekannten Parteien wenig bis nichts mehr zugetraut wird. Das zu korrigieren, ist schwer.
Die Kontraste sind brutal: Kaum hat in Salzburg ein Kommunist fast zwölf Prozent abgeräumt bei der Landtagswahl, startet in der SPÖ eine Mitgliederberfragung über den Vorsitz, bei der das Hauptargument der Unterstützer der Amtsinhaberin lautet, dass sie die gewählte Vorsitzende sei und es daher verdient habe, unterstützt zu werden. Zuletzt vorgetragen hat das Ex-Bundespräsident Heinz Fischer in einem Interview mit der Sonntagskrone. Man kann lange darüber nachdenken, was das für ein Argument sein soll, man wird keine überzeugende Antwort finden. Es gibt keine, sofern es nicht nur darum geht, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler zu verhindern.
Im Übrigen lautet eine der Fragestellungen, die die Sozialdemokratie zurzeit bewegt, ob ein Mindestlohn gesetzlich festgelegt werden soll oder nicht. Natürlich: Wer sozialpartnerschaftlich und gewerkschaftlich denkt, wird es ablehnen. Es ist ein klarer Widerspruch dazu. Andererseits aber: Ist es nicht empörend für sehr viele Menschen, die zu wenig verdienen, dass man darüber debattiert, statt, wie auch immer, dafür zu sorgen? Es wird jedenfalls auf begrenztes Verständnis stoßen.
Das Ganze steht für mehr. Erstens: Politik – auch, aber nicht nur sozialdemokratischer – fällt es immer schwerer, einer Masse zu vermitteln, dass sie etwas für sie tun kann. Direkt oder indirekt im Sinne von Rahmenbedingungen. Aus vielen Gründen ist es eher so, dass sie nicht mehr das leisten kann, was aufgrund einer gewissen Gewohnheit von ihrer erwartet wird.
Zweitens: Ein Teil der Politik nimmt sich daher selbst zurück und erweckt den Eindruck, keine großen Ziele mehr zu verfolgen. Bildung beispielsweise ist generell kein wahrnehmbares Thema mehr. Ein anderer Teil flüchtet sich in Symbolpolitik. Jörg Haider ist schon vor vielen Jahren durchs Land gereist und hat persönlich 100-Euro-Scheine verteilt. Weniger gutsherrenmäßig geht die Bundesregierung seit geraumer Zeit vor, indem sie einen Klimabonus und viele Einmalzahlungen gewährt, um gießkannenmäßig Folgen der Teuerung zu lindern. Wobei klar ist, dass das keine grundsätzliche Lösung des Problems darstellt. These: Das spüren fast alle.
Sebastian Kurz ist 2017 angetreten, hat eine bessere Politik versprochen, Hoffnungen geweckt und enttäuscht. Ein Ergebnis davon ist ein massiver Vertrauensverlust, der auch seinem heillos überforderten Nachfolger Karl Nehammer zu schaffen macht.
Die SPÖ wiederum hat in den vergangenen Jahren keinen Versuch unternommen, eine neue Politik zu skizzieren. Jetzt ist es möglicherweise zu spät. Die Leute, für die sie von ihrem Selbstverständnis her da sein sollte, setzen auf Mitbewerber, die den Trend zu einer Art Postpolitik konsequent umsetzen.
Die Salzburger Kommunisten sind nicht als Kommunisten auf fast zwölf Prozent gekommen, sondern weil ihr Chef, Kay-Michael Dankl, wenigstens das macht, was man im Grunde genommen als klassische Sozialarbeit bezeichnen könnte: Er tut, was er persönlich kann. Gibt Sprechstunden und hilft. Das ist in den Augen sehr vieler besser als nichts. Ja, es wird sogar als wohltuender Gegensatz zu einer Politik gesehen, die vorgibt, Probleme lösen zu wollen oder nicht verbergen kann, ohnehin nichts mehr zu wollen. Außerdem wirkt es bei Dankl so stark, weil er sich selbst fast nichts zu gönnen scheint, Teile seines Gemeinderatsbezugs spendet und mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Das ist natürlich populistisch und nicht ungefährlich: Wenn Politiker nicht ordentlich verdienen sollen, wird es noch schwieriger werden, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Ihre Aufgabe ist im Übrigen riesig: Sie haben nicht Einzelnen, sondern dem Gemeinwohl zu dienen. Andererseits aber kann man einwenden, dass dem zu viele ohnehin nicht gerecht werden und eine Korruptionsaffäre auf die nächste folgt.
In einem solchem Umfeld wird es die SPÖ in jedem Fall schwer haben, sich als Mittelpartei zu halten, wenn sie so weitermacht wie bisher. Aus taktischen Gründen traut sie sich nicht, kompromisslos zu erklären, wie sie sich die Zukunft der Gesellschaft vorstellt. Das ist nachvollziehbar: Sie könnte es allenfalls nur mit den Grünen realisieren. Andererseits aber werden ihr so Leute wie Dankl nur noch gefährlicher werden.
Und andererseits ist es nicht gesagt, dass es Andreas Babler oder Hans Peter Doskozil anstelle von Pamela Rendi-Wagner (noch) eher gelingen könnte, eine nötige Mehrheit bei einer Nationalratswahl zu erzielen, damit die Partei zum Kanzleramt kommt. Nicht, dass es ihnen an der Bereitschaft dazu mangeln würde. Es ist aber so, dass sich potenziellen Anhängern ja schon Leute wie Dankl anbieten; und dass sie, Doskozil und Babler, auf geschlossene Unterstützung aus den eigenen Reihen angewiesen wären im Falle ihrer Wahl. Dass also etwa Doskozil die Mitarbeit von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig brauchen würde, der heute eher wirkt wie sein größter Feind.
Da muss ich Ihnen mehreren Aspekten wiedersprechen: In der Analyse der Ursachen für z.B. Mietsteigerungen und Lebensmittelkosten werden „klassische“ marxistische Werkzeuge verwendet und in Alltagssprache übersetzt. Nichts anders hat die Arbeiterbewegung seit Beginn ihrer Entstehung getan. Der Erfolg der SPÖ in den 70er Jahren beruhte grundsätzlich auf dem gleichen Prinzip (vergleichen Sie nur das Parteiprogramm der SPÖ von 1979 in dem von der Überwindung des Kapitalismus gesprochen wird). Zur Frage des Gehalts und Lebensstil: Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass diese Generation ganz bewusst jenseits von Populismus einen anderen Lebensstil führt. Wenn ich für mich entscheide kein Auto zu besitzen, dann ist das Fahrradfahren teil meiner politischen Überzeugung. In der Fortsetzung des 68er Leitspruch: das Private ist auch Politisch. ich möchte noch abschließend erwähnen, dass ich ihre Kommentare immer als sehr lesenswert finde. Danke dafür.
Guten Tag!
Grundsätzliches vorneweg: Ihre Kommentare zur österreichischen Politik sind ein Labsal für die geschundene Medienkonsumenten-Seele. Neben Standard und Falter sind Sie das letzte ernstzunehmende Bollwerk gegen den schleichenden Demokratieverfall. Vielen Dank dafür! Ihrem obenstehenden Artikel muss ich in einem kleinen Punkt widersprechen: Seit Jahrzehnten kommt immer wieder das Argument, Politiker müssten besser bezahlt sein, damit nur die Besten in den Parlamenten sitzen. Und genau so lang zeigt sich, dass nicht wenige Politiker gemessen an Ihrem Output deutlich genug verdienen – das NR-Abgeordnetensalär ist nun wirklich nicht ohne. Zum Vergleich: Auch nicht alle deutlich besser bezahlten Manager in staatlichen, teilstaatlichen und privaten Unternehmen sind per se und per Gehalt so viel besser – auch solche vermeintlichen Koryphäen haben ihre Betriebe an die Wand gefahren – und sind dann weitergezogen. Also Geld allein ist´s auch nicht. Und warum soll ein Mandatar nicht aus lauteren Motiven auf einen Teil seines Einkommens verzichten dürfen – ohne deswegen umgehend als Populist dikreditiert zu werden. Erstens verteilt er sein eigenes Geld und zweitens soll´s ja heute schon Menschen geben, die einfach nicht mehr haben wollen.
Schöne Grüße und weiter so!
Silvio Pedevilla
Sehr geehrter Herr Pedevilla,
vielen Dank! Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Parteien stark gefördert und Politiker ordentlich bezahlt werden sollen. Genauso wichtig ist jedoch, dass Politiker dem Gehalt gerecht werden und es eine transparenze Parteienfinanzierung u.a. mit einem Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung gibt. Das ist in Österreich nur zum Teil oder nicht der Fall. Und selbstverständlich soll ein Mandatar auf Teile seines Gehalts verzichten und das Geld spenden dürfen. Warum muss er das aber betonen, ja warum muss es zum Teil einer Wahlkampagne gemacht werden? Zitat aus Salzburg: „Gewählte KPÖ PLUS VertreterInnen geben alles über einem durchschnittlichen Facharbeiter-Lohn für SalzburgerInnen in Notlage ab.“ Damit wird Gutes getan. Es wird aber auch damit geworben. Das finde ich irritierend.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Huber
Ich möchte gerne zum Punkt Spenden meine persönliche Sichtweise darlegen. Würden Politiker:innen nicht trommeln, dass sie einen Teil ihres Einkommens spenden, würde es wohl nie jemand erfahren. Ich ziehe meinen virtuellen Hut vor allen in der Politik, die das tun. Tun aber eh viel zu wenige. Einst zog ja ein Herr Haider durch Kärnten und verteilte an Bedürftige einen Hunderter. Das waren aber nicht seine Hunderter, er wurde dafür in seinem Bundesland jedoch laut bejubelt. Herr Dankl macht auf mich nicht den Eindruck, dass er für sein Handeln bejubelt werden möchte. Es scheint ihm tatsächlich ein Bedürfnis zu sein zu helfen. Generell finde ich, dass unsere Politiker:innen zu hoch bezahlt werden im Vergleich zu ihrer Leistung. Gerechterweise müssten sie alle mindestens die Hälfte an Pflegepersonal abgeben. Dieses Personal trägt nämlich WIRKLICH Verantwortung.
Zum Fall SPÖ: Oh je! Da ist so ein Chaos, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich denken soll. Frau Rendi-Wagner hat ganz bestimmt die besten Absichten für das Volk, aber leider hat sie keine Führungsqualitäten. Das tut mir sehr leid, denn sie könnte wirklich Gutes bewirken. Ich weiß nicht ob man das auch von den beiden anderen Herren behaupten kann.
Und ja, auch ich möchte Ihnen meinen Dank aussprechen für Ihre Arbeit!