Im schwarzen Loch

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ANALYSE. Warum die ÖVP damit rechnen muss, tief zu fallen, kann man in Vorarlberg studieren. Dort hat sie gerade ein weiteres Bürgermeisteramt verloren.

Die ÖVP-Krise allein mit Sebastian Kurz oder Karl Nehammer zu verbinden, reicht nicht. Sie bringen eher nur zum Ausdruck, was ein Problem der Partei bundesweit ist: Kurz hat eine Neupositionierung versucht und diesen treffsicher türkis, also auch blau, markiert. Nehammer hat ein Jahr, nachdem er die Führung übernommen hat, beschlossen, einfach möglichst wenig zu ändern.

In Vorarlberg zeigt sich die Krise ebenfalls. Oder vielleicht noch viel deutlicher. Das mag für Außenstehende umso bemerkenswerter klingen, als die Welt dort vor gar nicht allzu langer Zeit noch heil wirkte für sie. Bis sich die bekannten Abgründe beim Wirtschaftsbund, einer Teilorganisation, aufgetan haben.

Auch diese Affäre kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es schon einen viel länger andauernden Erosionsprozess gibt. In Höchst, der Heimatgemeinde von Finanzminister Magnus Brunner und Ex-Landeshauptmann Herbert Sausgruber (beide ÖVP), ist mit Stefan Überlhör gerade ein Grüner zum Bürgermeister gewählt worden. Bei einer Stichwahl hat er sich ziemlich klar gegen seine Mitbewerberin von der ÖVP durchgesetzt.

Die Partei von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat in den vergangenen Jahren schon die Bürgermeisterämter etwa von Bregenz, Hohenems und Lochau verloren. Wobei es immer besondere, auf die jeweilige Kommunalpolitik beschränkte Gründe gegeben haben mag. Aber eben nicht nur.

In Vorarlberg zeigt sich, was das Meinungsforschungsinstitut „Integral“ für die Bevölkerung in Österreich insgesamt unlängst festgestellt hat im Rahmen einer „Sinus Milieu“-Studie: „Die alte, staatstragende Mitte, deren Leitmotive ‚Stabilität‘ und ‚Normalität‘ waren, existiert in dieser Form nicht mehr.“ Sie löst sich auf. Ein Teil sehnt sich nach einer vermeintlichen „Ordnung der Vergangenheit“, also einer Welt, wie sie einmal war (politisch wird sie am ehesten von Freiheitlichen umworben). Ein anderer Teil der Mitte stellt sich Veränderungen und versucht – laut „Integral“ realistisch wie pragmatisch – damit umzugehen (das entspricht wohl eher Neos und im Westen verbreiteten „Realos“ unter den Grünen).

Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass sich die ÖVP auch in einem prosperierenden Land wie Vorarlberg schwertut. Im Gegenteil, hier, wo der Veränderungsbedarf größer wäre, ist es schwerwiegender für sie. Ist die Wirtschaftsbundaffäre ebenso verhängnisvoller wie eine fehlende Bereitschaft, als Partei organisatorisch wie inhaltlich auf die Höhe der Zeit zu kommen. Um ersteres hatte sich, als Markus Wallner im vergangenen Sommer im Krankenstand war, Vizeobfrau, Landesrätin Marina Rüscher bemüht. Nach internen Widerständen ließ sie es jedoch lieber bleiben. An zweiterem scheitert Wallner selbst.

Bildungspolitisch versuchte er vor einigen Jahren, neue Weg zu gehen und eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen zu realisieren. Davon redet er heute selbst nicht mehr. Ein Grund dafür ist, dass die Freunde auf Bundesebene dagegen sind. Das macht die Sache nicht besser: Hier wird ein Teil der ÖVP durch einen anderen blockiert.

Wichtig ist es Wallner abgesehen davon, einen alten, alemannischen Traum vom Eigenheim weiterhin zu pflegen, auch wenn er sich zunehmend finanziell, aber auch räumlich, nicht mehr ausgeht für eine Masse.

Diese Unfähigkeit, gesellschaftlichem Wandel Rechnung zu tragen, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass das auch bedeuten würde, etwas aufzugeben. Zum Beispiel Stimmen noch vorhandener Stammwähler, die sich gerne der Illusion einer Welt von gestern hingeben. Es ist aber eben umso bemerkenswerter, als die Notwendig, sich zu erneuern, seit Jahren offensichtlich wäre.

Siehe zum Beispiel Europawahl 2014. Damals kam die ÖVP in Vorarlberg auf 28,2 Prozent, gefolgt von Grünen (23,3), Freiheitlichen (17,1), Neos (14,9) und Sozialdemokraten (10,6 Prozent). In den beiden bevölkerungsreichen Bezirken Dornbirn und Feldkirch musste sich die Volkspartei sogar mit Platz zwei hinter den Grünen begnügen. Ob die Grünen oder eine andere Partei das in absehbarer Zeit auch landesweit bei einer Landtagswahl zusammenbringen würden, steht zu bezweifeln. Wichtiger aber ist das Signal für die ÖVP, dass sie sehr tief fallen kann.

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