BERICHT. Zwischen Politik und Journalismus herrscht in Österreich ein allzu schlampiges Verhältnis. Was vielleicht auch daran liegt, dass zu viel der Inszenierung unterworfen ist.
„Unter drei“ kann bei einem Hintergrundgespräch natürlich auch die Anzahl der Personen bezeichnen, die daran teilnehmen. In der deutschen Bundespressekonferenz, einer selbstständigen Journalistenvereinigung, die eben Pressekonferenzen zur dortigen Bundespolitik organisiert, heißt das jedoch etwas ganz anderes: Demnach handelt es sich um eine Kategorisierung. Aussagen, die beispielsweise Kanzlerin Angela Merkel tätigt und die ausdrücklich „unter drei“ sind, sind „vertraulich“. Merkel darf also nicht zitiert werden. Sinn und Zweck der Aussagen ist vielmehr, Zusammenhänge und Motivlagen zu erklären, die man gerade als Journalist braucht, um gewisse Dinge zu verstehen.
Wie ein Hintergrundgespräch in Österreich ablaufen kann, hat man vorige Woche gesehen: Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) äußerte sich vor führenden Redakteuren unter anderem zur Forderung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), die Mittelmeerroute zu schließen: Das, so Kern, sei ein „populistischer Vollholler“.
Jetzt kann man darüber streiten, ob diese Formulierung dem besseren Verständnis eines Problems nützt. Doch das ist ohnehin nicht nötig: Hinterher wird deutlich, dass Kern sie eh mit dem Ziel getätigt haben dürfte, sie öffentlich zu machen. Irgendwer berichtete darüber. Und ein anderer Journalist durfte einen offiziellen Mitschnitt von dem Gespräch verwerten, während sich Kern wenig später sogar noch eher zufrieden über diese Entwicklung zeigte; er scheint also eher froh zu sein, dass breit darüber berichtet wird, bereut die Wortwahl jedenfalls „nicht im Geringsten“.
Das Ganze ist bezeichnend für das schlampige Verhältnis zwischen Politik und Journalismus, das in Österreich herrscht: Erstere betreibt zu 95 Prozent Inszenierung, wie Kern zurecht einmal festgestellt hat. Zwischen einer Pressekonferenz und einem Hintergrundgespräch gibt es da keinen großen Unterschied. Ein solches dauert vielleicht etwas länger und ist ein bisschen gemütlicher, dient in der Regel jedoch ebenfalls dazu, die Öffentlichkeit zu informieren. Im besten Fall sagt ein Minister zwischendurch vielleicht: „So, das muss jetzt aber wirklich unter uns bleiben.“ Oder es wird am Ende darüber gefeilscht, was denn nun nach Ablauf einer gewissen „Sperrfrist“ berichtet werden darf und was nicht. Im schlimmsten Fall aber geschieht nicht einmal das.
Nur wenn man all das weiß, kann man vernünftig berichten; sonst macht man sich zum nützlichen Teil einer Inszenierung.
Kategorisierungen wie in Deutschland sind weitestgehend unbekannt. Was ausländische Korrespondenten immer wieder verwundert, hierzulande aber normal ist: „Hintergrundgespräche“, wie jenes von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler im vergangenen Februar, sind im Grunde genommen einfach Pressekonferenzen. Niedermühlbichler verbreitete damals, dass Kern Rot-Grün-Pink anstrebe, aber auch versuche, weiter in die Mitte zu rücken. Was natürlich eine Geschichte war, Kern als solche aber eher selbst schadete: Wer wirklich ernsthaft eine Strategie verfolgt, ist schlecht beraten, alle Überlegungen hinauszuposaunen. Dass nützt dem Mitbewerber so sehr, dass die Strategie auch schon wieder zum Scheitern verurteilt ist (wie es im Übrigen dann auch der Fall war).
Dabei wären vertrauliche Hintergrundgespräche extrem wichtig für Journalisten: Forderungen, wie jene, die Mittelmeerroute zu schließen, sind ohne Zweifel bemerkenswert. Letzten Endes aber machen sie nur dann Sinn, wenn die Problemlagen dazu einkalkuliert werden können: Wer kann das machen? Wie ist das umsetzbar? Und so weiter und so fort. Oder: Warum fordert man das immer wieder, wenn man es allein ohnehin nicht durchsetzen kann? Nur wenn man all das weiß, kann man vernünftig darüber berichten; sonst macht man sich zum nützlichen Teil einer Inszenierung.
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