Grüne und Ideologie

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ANALYSE. Ein Kampfbegriff hält Einzug, der lediglich darauf abzielt, ein Anliegen zu diskreditieren – und dem mit „Hauverstand“ einer entgegengehalten wird, der das Ganze verschleiert.

Grüne, ja sonst immer so moralisierende Grüne hätten Ideologie über Recht gestellt, meint der Kanzler sinngemäß über die Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum EU-Renaturierungsgesetz, die seines Erachtens glatter Rechtsbruch ist (mehr dazu hier). Sind Werner Kogler, Gewessler und Co. wirklich so übel? Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat ihrer grünen Regierungskollegin unterstellt, ideologiegetrieben zu agieren.

Seit Marx und Engels beziehe sich der Ideologiebegriff auf „Ideen und Weltbilder, die sich nicht an Evidenz und guten Argumenten orientieren, sondern die darauf abzielen, Machtverhältnisse zu stabilisieren oder zu ändern“, heißt es auf Wikipedia.

Das trifft auf die Grünen wohl nur begrenzt zu: Ihre Machtverhältnisse sind bescheiden und wenn man zumindest an die bestehende Koalition denkt, nicht ungefährdet. Sie tun im Übrigen nichts, um in diesem Sinne der ÖVP zu gefallen. Zur Stabilisierung der Machtverhältnisse sozusagen.

An Evidenz und guten Argumenten mangelt es ihnen nicht. Die Klimakrise ist Realität. Ihr Problem ist eher das Wie: Dass sie bei einer Masse zum Beispiel nicht ankommen mit ihren Vorstellungen. Weil sie eher akademisch sind und daher für nicht wenige abgehoben wirken. Weil sie mit ihrem Anspruch, wonach sich einiges ändern muss, in Zeiten multipler Krisen, in dem viele wünschen, dass sich nicht noch mehr ändert, eher auf sich verhärtende Gegenwehr stoßen.

ÖVP und Freiheitliche versuchen dieser Sehnsucht nach nicht noch mehr Veränderungen gerecht zu werden. Wenn Vertreter von ihnen Grünen vorwerfen, ideologiegetrieben zu sein, geht es ausschließlich darum, ihnen böse Absichten zu unterstellen.

Das hat alles nichts mit einem Wettbewerb der besten Ideen zu tun. Aus der Volkspartei kommen bezeichnenderweise keine Vorschläge für ökosoziale Initiativen mehr, durch die Grüne herausgefordert werden könnten. Was möglich wäre. Ihre Vorstellungen sind ja nicht alternativlos. Klimaschutz heißt nicht, dass es immer nur einen Weg zum Ziel gibt.

Doch das ist anspruchsvoll und widerstrebt Populisten daher. Also kommen sie mit einem schlichten Ideologiebegriff daher. Reden lieber von „Autoland“ und Verbrennungsmotoren und täuschen mit „Hausverstand!“ darüber hinweg, dass das, wenn schon, denn schon, genauso als Ideologie bezeichnet werden könnte. Hausverstand steht für Alternativlosigkeit; beziehungsweise dafür, dass man einem „Volkskanzler“ gleich das angeblich einzig Vernünftige wolle, ohne es diskutieren zu müssen.

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