ANALYSE. Werner Kogler und Co. sehen sich gezwungen, Beihilfe zur Einstellung der Wiener Zeitung zu leisten. Die Selbstbeschädigung könnte größer nicht sein. Jüngste Wahlergebnisse liefern einen Vorgeschmack auf das, was sie erwartet.
Die Einstellung der Wiener Zeitung, die der Nationalrat nun mit Koalitionsmehrheit fixiert, entspricht einem türkisen Geist. Für Journalismus gibt es hier keinen Platz. Das sollte man nicht vergessen. Die Einstellung ist aber nur möglich, weil sich die Grünen dafür hergeben. Dass die Partei meint, dass die Umstellung auf ein „innovatives Onlinemedium ein Zukunftsmodell und eine Aufwertung“ sei, macht die Sache nicht besser. Zumal es eine Lüge ist: Eine Kündigungselle droht, künftig dürften also weniger Journalist:innen bei dem Medium tätig sein, das – weil im Netz – zudem eher weniger sichtbar sein wird als bisher.
Chefredakteur Walter Hämmerle, der im Kanzleramt längst in Ungnade gefallen ist, hat seinen Abgang bereits mitgeteilt. Zu befürchten ist eher eine „Content“-Maschine. Der Begriff „Aufwertung“ ist vor diesem Hintergrund einfach nur zynisch.
Sehr wahrscheinlich wissen Vizekanzler, Parteichef Werner Kogler, Klubobfrau Sigrid Maurer und Mediensprecherin Eva Blimlinger genau, was sie anrichten. Ihr Problem ist eher, dass sie sich in eine Falle begeben haben, aus der sie nicht mehr herauskommen.
Im Regierungsprogramm, das sie Anfang 2020 mit der ÖVP von Sebastian Kurz fixiert haben, steht: „Neues Geschäftsmodell der Wiener Zeitung mit dem Ziel des Erhalts der Marke – Serviceplattformen des Bundes bündeln.“ Das kann alles und nichts bedeuten. Weil aber auch klar war, dass die Pflichtveröffentlichungen im Amtsteil des Blattes gestrichen werden, die ihm Geld gebracht haben, war die Zukunft der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung von vornherein gefährdet.
Umso verhängnisvoller war das dumme Motto, unter das die beiden Parteien ihre Zusammenarbeit gestellt haben: „Das Beste aus beiden Welten.“ Wenn ein Paar seine Beziehung so versteht, heißt das, dass es aneinander vorbei lebt; dass es nur existiert, damit jede:r in mehr oder weniger großen Teilbereichen so weiterleben kann wie bisher; dass es darüber hinaus kein grundsätzliches, verbindendes Interesse gibt.
Der Teil der Grünen beschränkt(e) sich auf Klimaschutz. Mittlerweile vermasselt ihnen Kurz-Nachfolger Karl Nehammer auch das, soweit er kann. Es kommt wenig bis nichts mehr zustande, Österreich ist vom Kanzler gar zum „Autoland“ erklärt worden. Umgekehrt ziehen Türkise ihren Teil des Regierungsprogramms durch. Und die Grünen sehen sich in der Pflicht, das zu ermöglichen.
Es ist müßig, darauf hinzuweisen, dass sie bei der verlockenden Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung vor dreieinhalb Jahren Entscheidendes übersehen haben. Jetzt ist es zu spät. Kogler und Co. haben von vornherein in Kauf genommen, an der Einstellung der Wiener Zeitung mitwirken zu müssen. Daher können sie schwer abspringen.
Die Selbstbeschädigung könnte freilich auch so schon kaum größer ein: Mehr und mehr stellt sich die Frage, was die Grünen überhaupt davon haben, Regierungsverantwortung zu tragen. Natürlich: Ein Klimaticket und eine CO2-Besteuerung etwa haben sie noch durchsetzen können, ehe die ÖVP begonnen hat, ihnen nichts mehr zuzugestehen. Justizministerin Alma Zadic sorgt im Übrigen dafür, dass Staatsanwälte tun können, was ihr Job ist in einem Rechtsstaat; nämlich auch in politischen Korruptionsaffären zu ermitteln.
Die jüngsten Landtagswahlergebnisse sind den Grünen jedoch eine Warnung: Ausgerechnet in Tirol und Salzburg, wo sie bisher mitregiert haben, haben sie verloren. Und auf Bundesebene deutet nichts darauf hin, dass es ihnen besser gehen wird. Im Gegenteil: Die Regierungspolitik, in der sie gefangen sind, entwickelt sich zunehmend zu einer rechtspopulistischen. Stichwort Schengen-Veto, Fortsetzung von Grenzkontrollen oder eben „Autoland“.
Vor allen aber diese Vernichtung der Wiener Zeitung: Sie widerspricht demokratischen, aber auch kulturellen Mindeststandards, die einstigen Ansprüchen der Grünen so gar nicht gerecht werden. Bei Türkisen überrascht das Ganze weniger, bei ihnen aber kommt es der Aufgabe von ganz Wesentlichem gleich.
Umso bemerkenswerter ist, dass es in ihren Reihen nicht einmal eine wahrnehmbare Debatte darüber gibt. Das lässt zweifeln, ob die Partei noch lebt – was wiederum einiges in Bezug auf die jüngsten Wahlergebnisse erklärt: Salzburgs Kommunistenchef Kay-Michael Dankl und Präsidentschaftskandidat Dominik Wlazny etwa haben sehr viele Grünen-Anhänger ansprechen können. Sie sind der Partei gefährlich, weil sie für sehr viel und Kogler und Co. nur noch für wenig leidenschaftlich kämpfen – und weil das in ihren Reihen egal zu sein scheint.
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