Gibt Pilz den Grünen den letzten Rest?

ANALYSE. Wie Erhebungen nach erhöhten Qualitätsstandards zeigen, spricht die Liste Pilz bei weitem nicht nur FPÖ-Wähler an. 

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ANALYSE. Wie Erhebungen nach erhöhten Qualitätsstandards zeigen, spricht die Liste Pilz bei weitem nicht nur FPÖ-Wähler an.

Auf der Website neuwal.com sind nicht nur fast alle Umfragen zur kommenden Nationalratswahl angeführt, sondern auch aufschlussreiche Anmerkungen zu den Erhebungen selbst. Insbesondere, ob sie die Qualitätskriterien erfüllen, die der Verband der Marktforschungsinstitute definiert hat. Bemerkenswert: Viele sind es nicht. Es ist eine Minderheit, um genau zu sein.

Berücksichtigt man allein sie, dann ergibt das ein bemerkenswertes Bild (siehe Grafik): Sebastian Kurz verhalf der ÖVP im Mai zu einem großen Sprung auf Platz eins und konnte diesen zuletzt zumindest stabilisieren, wenn nicht gar ausbauen. SPÖ und FPÖ haben verloren. Die Neos halten sich stabil bei rund fünf Prozent.

Ein eigenes Kapitel, um das es denn auch in diesem Text gehen soll, bilden die Grünen und Peter Pilz:

Die Grünen hielten im April laut einer Spectra-Erhebung noch zwölf Prozent (IMAS wies ihnen sogar 14 Prozent aus). Die vorhergehenden Auseinandersetzungen mit der Parteijugend haben ihnen damals also offenbar noch nicht weiter geschadet. Doch dazu kam es im Laufe der Zeit: Laut einer Umfrage (Unique Research), die unmittelbar vor dem Rücktritt von Bundessprecherin Eva Glawischnig durchgeführt wurde, waren sie Mitte Mai nur noch einstellig (acht Prozent). Auf diesem Niveau konnten sie sich vorerst unter der neuen, zunächst designierten Doppelspitze (Felipe/Lunacek) stabilisieren. Doch dann kamen die Auseinandersetzungen um Peter Pilz, der schließlich eine eigene Liste gründete – und die Grünen sackten weiter ab (auf sechs Prozent). Pikant: Zusammen halten Pilz und die Grünen damit genau deren 12 Prozent vom April.

Das legt den Schluss nahe, dass Peter Pilz vor allem seiner ehemaligen Partei Stimmen wegnimmt. Was auch insofern nachvollziehbar wäre, als er als der politische Aufdecker schlechthin wahrgenommen wird und die Grünen mit ihm das mit Abstand stärkste Motiv verloren haben, sie zu wählen: „Missstände kontrollieren“ (Vgl. SORA-Wahlanalyse 2013).

Für die Partei ist das bedrohlich: Die sechs Prozent von heute sind schwer auszuweiten.

Allerdings leiden offensichtlich nicht nur die Grünen unter der Liste Pilz: Die Anteile von ÖVP, SPÖ und FPÖ sind zuletzt von deutlich über auf unter 80 Prozent zurückgegangen. Die ÖVP hat zwar eher zugelegt, SPÖ und FPÖ haben aber noch stärker verloren. Ein Teil ist möglicherweise wieder unschlüssig geworden, ein anderer aber wohl zu Pilz gewandert. Seine Liste ist neben der ÖVP jedenfalls die einzige, die in den vergangenen Wochen stärker geworden ist.

Wobei die Grünen bei alledem naturgemäß in einer unfreiwilligen Art und Weise mitspielen: Sie selbst könnten ja noch immer so attraktiv sein, dass ihnen ein Peter Pilz nicht so sehr zusetzt. Allein: Sie sind es den Erhebungen zufolge nicht.

Für die Partei ist das bedrohlich: Die sechs Prozent von heute sind schwer auszuweiten. Weil Lunacek und Co. in einer erwartbaren Zuspitzung des Wahlkampfes auf eine Kanzler- oder Koalitionsfrage wie die Neos allenfalls nur eine Nebenrolle spielen. Anders ausgedrückt: Letzten Endes wird es möglicherweise vor allem darum gehen: Ob Christian Kern Kanzler bleiben oder Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache es werden soll. Und da hat wohl fast jeder Wähler eine Präferenz – und wenn sie auch nur „Verhinderung von XY“ lautet, dann wird sie naturgemäß eher auf einen der beiden übrigen fallen als auf Lunacek bzw. die Grünen.

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